Klopf Klopf.
Aufwachen.
Ein Lächeln auf meinem Gesicht. Freude.
Mit erwachenden Bewußtsein wähle ich die Bücher, welche sich höflich anbieten.

Ich stehe mit Katinka in einer alter Wohung, alles verstaubt, als wäre es schon lange nicht mehr benutzt worden, als hätte jemand vergessen, dass er hier lebt. Geschirr, das so tut, als wäre es eigentlich noch in Gebrauch. Eine sympathische Form von Unordnung. Bilder, Kleidung, ein ungemachtes Bett... wir stehen in einem ganzen Leben und beginnen uns darin umzusehen. Ein Geschenk, wir haben ein Geschenk bekommen. Jemand, der für uns fühlt, hat uns den Schlüssel zu seiner Vergangenheit überlassen. Es dauert lange, bis ich in dem, was ich hier sehe, denjenigen finde, den ich kenne. Wir sprechen nicht. Unsere Hände wandern über die Gegenstände, hinterlassen Spuren im Staub... Spuren in seiner Vergangenheit... Wenn die Ereignisse in unserer Vergangenheit uns den Weg für die Zukunft weisen, was tun Katinka und ich dann gerade? Obwohl es an und für sich einfach nur eine verlassene Wohnung ist, bewegen wir uns, als wären wie an einem heiligen Ort. Ich bin hingerissen. Fotos. Ach du Schreck. SO sah er aus???
Ich blinzle.

Thomasso sieht mich an. Gerade noch sehe ich sein Gesicht auf diesem Foto und jetzt sitzt er mir gegenüber an diesem Tisch, bei diesem Italiener. Zu meiner Linken Katinka, die einen Schlüssel zurückgibt, der nicht uns gehört. Waren wir gerade eben dort, wo ich gerade eben noch war, oder war es gestern und ich bin heute? Ich lächle pauschal. Ich freue mich. Glück.
Man reicht uns die Speisekarte und ich blicke darauf. So viel leckere Sachen. Aber das Wasser will mir im Munde nicht zusammenlaufen. Mein Blick wandert von der Karte, zu der Tischlampe, zu allen anderen Tischlampen... Wie die leuchten können, nicht alle gleich hell... irgendwie, und wenn man seine Augen ein wenig zusammenkneift, dann wird das Dunkle dunkler und das Helle heller... und wenn man das lange genug macht, dann sieht das Restaurant aus wie ein Sternenhimmel.
"Für was hast du dich entschieden?", fragt Thomasso und ich blinzle.

Ein Schalk in seinen Augen und ich weiß schon was er denkt. Vor gut 'nem halben Jahr hab ich mich köstlich darüber amüsiert, wie er und Katinka begeisterungslos das Speiseangebot unter die Lupe nahmen. Ja ja. Alles rächt sich. Wir reden über alles möglich, ich bin nicht immer ganz bei der Sache, gibt so viel zu sehen. Aber ich glaube im gros mach ich mich ganz gut. Ich bin durchaus anwesend. Ich freue mich so sehr, die beiden lieben bei mir zu haben. Ich fühle mich absolut wohl, bis zu der Sekunde, in der dieser Kellner ein neues Buch bringt.
Es liegt vor mir auf dem Tisch und schlägt sich von selber auf. Geruch. EKELHAFTER Geruch. Das soll ich essen? Wessen dumme Idee war das? Meine bestimmt nicht. Man stelle sich vor, ein junger Mann würde mich romantisch zum Essen einladen... Dem müsst ich im Affekt ins Gesicht springen... Innerlich kicher ich... Ich müsste ihm tatsächlich ins Gesicht springen... zumindest beinah. Egal. Ich werde DAS auf alle Fälle nicht essen. Masquerade wahren hin oder her. Das hat alles seine Grenzen. Ich widme mich lieber dem Gespräch. Und dem Restaurant. Das Buch Essen, as far as possible, ignorierend.
Aber Thomasso ißt.
Aber Katinka ißt.

Und sie lächeln dabei. Plaudern. Die beiden sind mir unheimlich. Echt! Der Kellner guckt schon komisch, warum ich das Essen nicht anrühre, ich füge mich meinem Schicksal, ersteche ein Stück Leber mit meiner Gabel und führe es mit einem absolut souveränen Lächeln in meinen Mund. Beisse. Zerbeisse. Ganz ruhig. Ganz gelassen. Zermahle. Schlucken. Ich muss das Schlucken. Ich... würge es hinunter, erhebe mich langsam, entschuldige mich für eine Sekunde und begebe mich in aller Ruhe auf die Toilette.
WAH... das ist im wahrsten Sinne des Wortes zum Kotzen!!!
Das Gesicht waschen. Zurück. Ich hasse es. Die beiden schmunzeln. Jeder von ihnen kann sich erinnern, wie es für sie war. BAH.

Wie geschmackvoll hm?
Schmeckst dir? Soviele Gewürze. Das tote gebratene Fleisch - wie lecker. Es verteilt sich in deinem Mund - so falsch.

Aufnahme

Entlassung