"An dem Abend, an
dem du dachtest, Katinka sei tot. "
Ich schnaube abfällig, und kann ihn immer noch nicht hassen. Wie viel
Kraft liegt in ihrem Blut? Kainiten Blut.
Ich will ihm drohen. Will ihm klarmachen, dass ICH keine Spielfigur bin. Ich
bin kein Nichts. Ich will sagen, dass er mir mehr von sich geben soll....
und würde es niemals tun, schon aus Trotz.. Ich will ihn auslachen, weil
ich - kleiner Mensch - , einen Ravnos ... Die Meister der Lügen... ausgetrickst
habe. Aber ich weiß, dass er mir diesen kleinen Sieg gönnt. Wie
viel Spaß macht schon ein Spielzug, wenn ihn niemand würdigt. Und
dafür hasse ich ihn doch. Ich stoße mich von ihm weg und gehe Richtung
Ausgang.
Und da steht Thomasso. Irgendetwas an ihm scheint mir anders. Ich bin mir
nur noch nicht sicher was. Eine Idee. Meine Hand auf seiner Schulter. Ich
schmiege mich von hinten an und flüstre ihm ins Ohr... leise, leise...
wohl wissend, wie viel ihm an mir liegt. An mir und meiner Freiheit, mich
für ihn entscheiden zu können.
"Er hat mir von seinem Blut gegeben.... "
Er wirbelt rum und sieht mich an, und ich?... ich werfe... einen fast beiläufigen
Blick auf Wolfenstein und trete einen kleinen Schritt beiseite.
Ins Wasser fällt ein Stein, ganz heimlich still und leise, und ist er
noch so klein, er zieht doch weite Kreise.
Dann stehen die beiden sich gegenüber. Kälte in mir. Genugtuung.
Was sie reden höre ich nicht. Muss ich aber auch nicht. Ich genieße
die Spannung. Ich kann die Macht der beiden förmlich fühlen. Aufgeladen.
Unter Strom. Und das kribbelt auf meiner Haut. Thomasso räuspert sich
und ich erkenne es wieder. Damals bei einer Geisterbeschwörung habe ich
dieses Räuspern schon gehört, und jemand den ich gar nicht leiden
konnte, lernte ich kennen. Und plötzlich mache ich mir Sorgen. Plötzlich
fühlen ich mich schwach. Plötzlich habe ich Gewissensbisse. Da stehen
zwei Wesen, die mir am Herzen liegen und sind kurz davor sich an die Kehle
zu gehen. Ich muss das korrigieren. Muss es wieder richten. Ist doch alles
nicht so schlimm. Ich versuche zwischen die beiden zu treten und sie zu trennen.
Doch sie nehmen mich gar nicht wahr. Aber ich bin konsequent... und schließlich
wendet sich Thomasso mir zu und erklärt mit rauher Stimme und unschönen
Worten, wie wenig ich wert bin und dass es wohl besser wäre, wenn ich
das Weite suchte.
Das sitzt! - und
ich entschwinde nach draußen. Unwillig, denn ich habe nichts entgegen
zu setzten. Menschen sind so... Unwichtig. So schwach. Ich will kein Mensch
mehr sein.
Ich habe mit Katinka geredet,
habe ihr Vorwürfe gemacht. Habe geschrien, Dinge durch die Gegend geworfen
und massenhaft Zigaretten geraucht. Thomasso kam später hinzu, hat sich
entschuldigt... für die Dinge, die er aussprach, dass ist mir wichtig...
aber ich kann es ihn nicht sagen. Eine Träne auf seinem Gesicht. Aus
Blut. Sie weinen blutige Tränen und irgendwie nimmt mir das die letzte
Kraft.
Also sitze ich irgendwann da, wie eine leere Hülle. Singe immer wieder
leise vor mich hin, dieses Lied, das ich irgendwie für Katinka geschrieben
habe. Ein Wahn, kein Sinn...
Sie ist bei mir, wir reden. Und ich glaube sie weint fast, als ich ihr sage,
dass ich kein Mensch mehr sein will. Aber ist es Trauer oder Freude? Beides
wohl. Und Sorge. Malekin kommt hinzu, und noch nie hatte ich weniger Angst
vor ihm. Trotz all der Geschehnisse.
Die beiden, zwei Seiten der selben Sache und beides liegt mir nahe.
Sein kalter Wahnsinn und ihre warme Verrücktheit. Oder war es doch umgekehrt?
So viele Dinge liegen klar vor mir wie noch nie. Und ich empfinde mehr Liebe,
als ich meinem Ziehvater je entgegenbrachte. Oder verwechsle ich dieses Gefühl
mit der quälenden Sehnsucht, die ein Heroinabhängiger nach dem nächsten
Schuss verspürt? Macht es einen Unterschied??
Ihre Hände liegen auf diesem Buch. Malekins Tagebuch. Malekin gleich
Katinka und die beiden reichen es mir im stillen Einvernehmen. Und ohne Zögern
greife ich danach, berühre sie... sie berühren mich... und dann
ziehe ich es an mich... Und es gibt nichts weiter zu sagen.
Wieder dieses grelle Licht.
Ich öffne meine Augen und blicke an die dunkle Zimmerdecke. Schweiß
auf meiner Haut. Kälte in mir. Hass und Wut. Angst. Meine Hand tastet
nach dem kleinen Buch das neben mir auf dem Nachtisch liegt.
Mein Kopf ist krank.
Ich kann es nicht an mich nehmen. Ich kann es nicht loslassen. So schlafe
ich wieder ein.