30.05.03
Vergewaltigung.
Das ist das einzige Wort das mir dazu einfällt.
Ich war in einem Park. Wir trafen die beiden, die fehlten, damit wir
sieben sind. Sieben Geißlein und kein Uhrkasten
weit und breit. Sei lustig Anna. Ein Spaziergang unter Freunden. Gleichgesinnten.
Nicht von, aber wie dein Blut. Verbundenheit? Nein?
Wir bleiben zusammen, müssen zusammen bleiben, damit uns die Anderen
nicht finden. Wir verstecken uns gegenseitig und wir verstecken uns selbst
- ohne uns zu verlieren. Verblüffend.
An der Stadtmauer entlang, in der Ferne sehen wir die Zinnen des Hexenturms,
Gänsehaut. Erinnere mich an Katinkas Märchen.
["Es war einmal ein kleiner Junge, der hieß Josef. Er war
ein besonderer Junge, auch wenn er ganz klein und dünn und unscheinbar
aussah. Aber seine großen, dunklen Augen konnten Dinge sehen,
die andere nicht sahen. Josef war der Sohn eines Königs. Der König
hatte noch viele andere Kinder, und er fürchtete, dass sie eifersüchtig
auf Josef sein würden, wenn sie merkten, das er etwas Besonderes
war. Und er wollte keine Streitigkeiten unter seinen Kindern. Also schickte
er ihn weit fort, in ein abgelegenes altes Haus mit einem hohen Turm,
wo er ganz alleine war. Aber Josef war ein bescheidener Junge, und er
war glücklich, niemanden zu stören, und seinen Unterhalt mit
Schafe hüten zu fristen. In der Nähe des Hauses gab es einen
wunderschönen See, und manchmal nahm Josef nachts ein Bad und
lässt das Wasser seine Haut benetzen, lässt sich von den kleinen
Wellen zerreisen, treibt in tausend Scherben im Wasser, versinkt und
erblickt im Zerrspiegel des Wellenschlages...
Lange Zeit lebte Josef glücklich und allein mit seinen Schafen.
Der König zog seine anderen Kinder groß, und auch sie lebten
glücklich und zufrieden. Bis eines Tages ein anderer Sohn des Königs
von Josef erfuhr. Er fürchtete, dass Josef wieder auftauchen und
ihm sein Erbe, den Thron streitigmachen könnte. Deshalb machte
er sich auf die Suche nach seinem Bruder, um ihn zu töten. Zur
gleichen Zeit geschah es, dass ein fahrender Ritter durchs Land zog.
Er war ein gelehriger Mann, achtete Mensch und Tier gleichermaßen,
und war stets bemüht, sein Wissen zu mehren. Auf der Suche nach
seinesgleichen war er schon an vielen fremden Orten
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gewesen und hatte die seltsamsten Dinge erlebt.... Eines Abends
gelangte der Ritter an ein abgelegenes Haus mit einem hohen Turm. Vor
dem Haus standen Schafe, und weil der Ritter ein höflicher Mann war,
zog er seinen Hut und begrüßte sie. 'Guten Abend, liebe Schafe.
Ist dieses Haus bewohnt?' Drei Schafe kamen zum Wegrand, um ihn zu begrüßen.
'Josef', mähte das erste Schaf. 'Josef', blökte auch das zweite.
'Josef', stieß das dritte hervor, und es klang für ein Schaf
sehr besorgt. "Wenn die Schafe den Namen ihres Hirten aussprechen,
so muss das ein sehr besonderer Mann sein", dachte der Ritter bei
sich. "Ich will sehen, ob ich nicht etwas von ihm lernen kann."
'Wo ist euer Herr?', fragte er die Schafe, doch ihre Antwort war ein
Muster, das er zunächst nicht erkennen konnte, denn er wusste nichts
von dem See, und sie konnten ihm nicht mehr sagen, ist doch ein Geheimnis...
Also betrat der Ritter das Haus mit dem Turm, und begann nach Josef
zu suchen. Er lief durch die langen, dunklen Gänge und sah in jedes
Zimmer. Viele Wände waren mit wundersamen Bildern bemalt, und erzählten
Geschichten, die den Ritter mehr und mehr davon überzeugten, dass
er diesen Josef unbedingt kennenlernen musste. Doch dann fand er eine
Zeichnung, die ihn sehr beunruhigte, denn sie war von jemand anderem,
und sie war nicht schön und geheimnisvoll und klug und sanft, sondern
klar und deutlich und bedrohlich: noch jemand war hier, und er wollte
Josef nichts gutes.
Daraufhin nahm sich der Ritter keine Zeit mehr für die Wandgemälde,
sondern lief so schnell er konnte von Gang zu Gang und von Zimmer zu Zimmer,
und er glaubte Schritte von schweren Stiefeln hinter sich zu hören,
die ihn verfolgten. Schließlich fand er das Zimmer, in dem Josef
schlief, mit einem schlichten Bett und ein paar kargen Essensresten, und
Spuren von einem Kampf. Er war zu spät! Doch er war ein Ritter, und
Ritter geben nicht so leicht auf. Er verließ das Zimmer und dachte
angestrengt nach. Wo würde er in diesem Haus hingehen, wenn er nicht
gefunden werden wollte? Und weil der Ritter sehr gut nachdenken konnte,
fiel ihm sofort der hohe Turm ein. Eilig lief er nach draußen und
gelangte an den Fuß des Turmes. Dort oben brannte Licht! Um nicht
sofort entdeckt zu werden, beschloss er, nicht die Treppe zu nehmen, sondern
an den Ranken des Efeus hochzuklettern, die die Turmmauer überwucherten.
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