Ägypten.
Am Ausgang des Flugzeuges bleibe ich kurz oben auf der Treppe stehen und atme die schmutzige Flughafenluft tief ein. Der Kerosingeruch ist nicht anders als zu Hause, aber die Luft ist wärmer, dichter, schmutziger, süßer. Fremd. Aufregend.
Der Flughafen ist trotz der späten Stunde überfüllt. Lärm, Gestank, Hitze. Viel zu wenig Schalter für viel zu viele deutsche Touristen, die sich um einen Platz in der ersten Reihe streiten, nur um dann eine halbe Stunde darauf zu warten, daß der Schalterbeamte seinen Stempel repariert hat. Chaos. So wie man es sich vorstellt. So muß das sein!
Aber meine Landsleute können damit nicht umgehen. Sie beschweren sich, werde aggressiv, und erreichen damit nur längere Wartezeiten. Hoffentlich ist keiner von denen in meiner Reisegruppe.

Sie sind. Alle. Der verkrampfte Berliner, der sich vorhin mit der Hysterikerin aus Bayern in die Haare gekriegt hat, die vier Grazien aus Düsseldorf, die jeden schulmeisterlich ermahnen, sich doch zu entspannen, die Oma in engen rosa Radlerhosen - Panoptikum des Schreckens. Gut, daß ich viel zu lesen dabei habe. Hoffentlich kann ich mich bei den Besichtigungen abseilen!

Kairo.
El Cahira, die Siegreiche. Diese Stadt kann jeden besiegen, nur nicht sich selbst.
Sie liegt unter einer undurchdringlichen Kuppel aus Smog. Daß die Sonne es überhaupt schafft, die Luft so aufzuheizen, ist ein Wunder. Alles ist von einer feinen, grauen Staubschicht bedeckt, als wollte die Wüste daran erinnern, daß dieses Land ihr gehört und daß sie es sich eines Tages zurückholen wird.Abgesehen von Staub und Smog ist die Stadt, jedenfalls die Teile, die wir zu sehen bekommen, unerwartet sauber. Alles andere ist genauso, wie man es sich vorstellt: dichter Verkehr, der offenbar nur durch Hupen geregelt wird, Geschrei, Garagenläden, die Obst, Zeitungen oder Tabak anbieten und den Besitzern gleichzeitig als Wohnung dienen, olivhäutige Männer mit wilden Bärten, wie man sie im Fernsehen sieht, wenn es wieder mal ein Bombenattentat gegeben hat, Frauen in allen Verschleierungsgraden... Zu hause macht mich der Anblick einer verschleierten Frau immer auf eine unbestimmte Weise ärgerlich. Hier ist das komischerweise anders. Einmal steht in einer engen Gasse plötzlich eine von oben bis unten in beige Tücher

gehüllte Gestalt dicht vor mir. Einen Augenblick sehen mich die cremebraunen Augen - das einzige, was von ihr sichtbar ist - forschend an, das Tuch über ihrem Mund bewegt sich kaum merklich, und ein paar endlose Sekunden lang bin ich überzeugt, daß sie die schönste Frau ist, die ich je gesehen habe.

Alabastermoschee.
Ich war noch nie bewußt in einer Moschee. Als ganz kleines Kind vielleicht mit meinem Vater, aber ich kann mich nicht erinnern. Kein bleibender Eindruck.
Mit meinen staubigen Schuhen in der Hand betrete ich zögernd den Innenhof. Wie gedämpft hier alle Geräusche wirken, trotz der vielen Menschen, trotzt der Renovierungsarbeiten, trotz des Verkehrs der übervölkerten Stadt. Ich habe das Bedürfnis, ehrfürchtig niederzuknien, wie manchmal in großen Kirchen. Dasselbe Gefühl, trotz der völlig unterschiedlichen Umgebung. Und das, obwohl ich nichtmal an irgendwelche Götter glaube.Der Ausblick auf die an sich selbst erstickende Stadt ist nicht halb so deprimierend wie die Kommentare meiner z.T. unglaublich primitiven Mitreisenden.
Ich verzichte auf beides und ziehe mich in den Schatten eines Mimosenbaumes zurück, wo ich dem Gespräch zwischen zwei Ägyptern lausche - rauhe, heisere Laute in dieser tiefen, harten Sprache, die klingt, als ob sie streiten, obwohl sie sich anlächeln...
Langsam beginne ich, Ägypten zu fühlen.

Ägyptisches Museum.
Die Gesellschaft meiner Reisegruppe ist nicht zu ertragen. Sie lärmen, beschweren sich, daß die Dinge hier nicht so wie zu Hause sind (warum sind sie nicht daheimgeblieben?), schießen nur Fotos, wenn mindestens einer von ihnen im Bild ist, haben wahrscheinlich sogar Schwierigkeiten, Ägypten zu buchstabieren. Eigentlich sollte ich dankbar sein und es genießen - ich fühle mich unvergleichlich intellig
ent, gebildet, überlegen. Doch anstatt mir die dummen Kommentare über diese wundervollen Artefakte anzuhören, setze ich mich lieber ab und erkunde die Geheimnisse der Vergangenheit für mich allein.

 

Aufnahme

Entlassung