Samstag, 17. März 2001
Allein. Ist das das Fazit dieses Abends? Allein fahre ich im Auto zurück zu unserem Unterschlupf, unter dem wolkenzerfetzten Himmel hindurch - rot und weiß und schwarz. Allein habe ich den ganzen Abend lang Konversation getrieben, Bekanntschaften geschlossen, versucht, Geheimnisse zu ergründen, Wahrheiten zu offenbaren und vor allem beobachtet. Allein, das hat mir Malfeis deutlich gemacht, allein ohne meinen Sire bin ich nichts weiter als Freiwild.
Trotzdem habe ich den Abend überstanden, ohne daß etwas schlimmeres passiert ist.
Sollte mich das stolz machen? Zumindest verspüre ich eine gewisse Erleichterung, wenn auch nicht ganz ungetrübt. Vielleicht lerne ich es doch noch, mich in der Welt der Vampire allein zurechtzufinden.
Katinka war viel allein, und sie hat sich oft einsam gefühlt, aber sie wußte nicht, was sie wirklich vermißt. Ich weiß es, und wenn es mir schon schwer fällt zu begreifen, wie sie all die Zeit überlebt hat, so ist mir noch viel weniger klar, wie ich die Zeit überstehen soll, in der Malekin nicht da ist. Die Autofahrt wird mir lang, obwohl der Ort des Elysiums gar nicht weit entfernt war. Die Nacht wird noch lang, denn der Abend begann und endete früh. Die Nächte werden endlos ohne ihn. Freudlos. Sinnlos. Ich fürchte jede einzelne.
Nicht, weil ich nicht allein zurechtkäme, oder mich nicht benehmen könnte, oder weil ich in der Vampirgesellschaft als Kind allein nichts gelte. Sondern weil ich nicht mehr ohne ihn sein will. Was ist Malekin ohne Malekin?

Elysium in Dachau. Malfeis richtet es aus, doch er hat Christopher mit der Durchführung betraut. Das Haus ist der Sommersitz der Geschwister Leberecht ('Groß? Das nennen Sie groß?' ist Neldas pikierte Antwort auf meine Bewunderung). Internationale Gäste sind geladen, zum ersten Mal, seit wir in München sind. Zum ersten Mal scheint es sicher genug.
Oberst Schlayer sorgt für die Sicherheit. Meiner Meinung nach genügt es, wenn er den ganzen Abend so bedrohlich an der Tür stehenbleibt. Das muß jeden abschrecken, der irgendetwas traditionswidriges vorhat. Oder auch nur unangemessenerweise lächeln möchte.

Christopher begrüßt mich freundlich und fragt, wie später jeder einzelne, mit dem ich spreche, nach Malekin. Ich erkläre, daß er zu Studienzwecken in Kanada ist. Keiner will nähere Gründe wissen. Ich wüßte sie gerne!
Von den Innsbruckern ist offenbar noch niemand eingetroffen, dafür zwei neue Gesichter. Ein blonder Mann im Arztkittel und eine langhaarige Frau in Lederkluft, die nicht von Krells Seite weicht.
Lady Thorndike ist mit mir zusammen angekommen und versucht ebenso vergeblich wie ich, sich mit Malfeis zu unterhalten. Er ist ja nie der passende Ansprechpartner für small talk, aber heute ist er besonders schweigsam. Dafür durchbohrt er mich mit Blicken. Eine unausgesprochene Frage steht in seinem Gesicht geschrieben, doch ich kann sie nicht lesen. Will sie gar nicht wissen.
Die Gesellschaft der Münchner scheint ziemlich komplett anwesend zu sein. Man steht in Grüppchen beisammen und unterhält sich. Höflich, verhalten, um nicht zu sagen friedlich. Seltsam.
Ich begrüße Josefa, die mich mütterlich wie immer in den Arm nimmt. Eins weiß ich ziemlich sicher: wenn ich an diesem Abend in Schwierigkeiten gerate, sollte der Grund dafür ihr besser nicht über den Weg laufen. Außer natürlich, ich bin selbst der Grund.
Kantner samt Dr. Buchner ist da, ebenso Krell mit Sandra. Die andere Frau an seiner Seite stellt sich vor: Juana Velazquez, ebenfalls Brujah. Sie wirkt, als könne sie sich zwar benehmen wie ein typischer Brujah, aber eben auch anders, wenn sie nur will. Jedenfalls ist sie nicht auf Anhieb unsympathisch, und auch Krell scheint mit der Situation nicht so unzufrieden, wie man annehmen könnte.
Sandra macht auf einen Scherz hin eine interessante Bemerkung: sie fühlt sich wohl als Mensch. Was tut sie dann hier? Und wenn sie Mensch bleiben will, ist sie sich sicher, daß das hier dann der geeignete Ort ist, sich wohlzufühlen? Ich muß mehr darüber herausfinden, doch zunächst gesellt sich der Arztkittel zu uns und stellt sich vor. Dr. Siemers.
Aufnahme

Entlassung