Es
waren ihre Töchter, die ihr gesehen habt. Ihr habt die Königin der
Angst nicht mitgebracht. Die Königin ist tot. Sie starb in jener Nacht...
Jetzt ist sie hinter dem Spiegel, und dort bleibt sie, denn Malekin hat sie
getötet. Ihr habt sie nicht mitgebracht.
Beide reden auf mich ein. Ob es mir gut geht. Wo Malekin ist. Was ich von ihrem
Traum weiß. Welcher Traum?
Es geht dir gut.
Es geht mir gut, antworte ich unwillig. Ja doch, ja, es geht mir gut. Malekin
auch. Es geht uns gut, ist ja gut, es reicht. Soll ich jetzt wieder schlafen
gehen?
Sie manövrieren mich zu meinem Stuhl zurück. Was haben sie nur? Es
ist doch alles in Ordnung. Mir geht es gut, wirklich. Ich nippe vorsichtig an
meinem Wasser und versuche, Hagen Schneiders neuem Ghoul zu erklären, was
an Kohlensäure so schwierig ist. Sandra und Dr. Buchner versuchen uns mit
Kochrezepten aus der Ruhe zu bringen, aber aus irgendeinem Grund bin ich heute
nicht in der Stimmung für solche Spiele. Der Kopfschmerz wird stärker.
Der Prinz begrüßt die nun vollzählig anwesenden Gäste und
kündigt an, daß Josefa Seneschall wird. Applaus aus unseren Reihen,
und keine Proteste von anderen Clans. Nicht einmal Tessa, die von einer Überdosis
Politik erschöpft in einer Ecke kauert, schimpft. Hoffentlich ist das ein
gutes Zeichen.
Der Prinz ruft die Primogene zu sich, um diverse Dinge zu besprechen. Josefa
und Thomas, der als Sprecher der freien Clans auftritt, verabschieden sich nur
äußerst unwillig von mir. Vielleicht wird der Abend für mich
weniger verwirrend, wenn sie sich mit Politik beschäftigen.
Während sie sich nach oben zurückziehen, kommt Malekin, und mehr als
Malekin betritt mit ihm den Raum. Er sieht erschreckend aus. Was ist dir?
Es geht ihm gut.
Es geht ihm gut, signalisiere ich Josefa, die mir von der Treppe aus einen besorgten
Blick zuwirft.
Doch es geht ihm nicht gut. Ich sehe Erschöpfung in seinen Augen. Schmerz.
Zorn. Bestrafung. Faeselius.
Die bösen Dinge? Warum fühle ich mich schuldig?
Es geht ihm gut.
Ich bin beruhigt. Es geht ihm ganz hervorragend, versichere ich Lady Thorndyke,
und verstehe beim besten Willen die Besorgnis nicht, mit der sie sich nach Malekin
erkundigt. Warum benehmen sich heute alle so komisch?
Ich
folge Malekin in die Küche. Stimmt doch etwas mit ihm nicht? Er stürzt
das Glas Blut, das Johann ihm reicht, in einem Zug hinunter, ohne es eines Blickes
zu würdigen, ohne Untersuchung, ohne jede Vorsicht. Haben sich unsere Regeln
geändert?
Ich habe schon ein halbes Glas Mineralwasser getrunken, versuche ich das Thema
vorsichtig anzuschneiden.
Gut, sagt er nur, aber es klingt wie schade, daß du mir keinen Anlaß
gegeben hast, dich zu bestrafen.
Ich verstehe nicht, was mit ihm ist, und das macht mir Angst. Und ich habe das
nagende Gefühl, etwas wichtiges übersehen zu haben. So wie in einem
Traum, in dem man versucht zu lesen, und es nicht kann.
Er ist immer noch in mir. Er ist zornig.
Ich muß mich beherrschen, um nicht zurückzuweichen. Der Abt ist Malekins
Sire. Er fühlt für ihn, wie Malekin für mich fühlt. Und
trotzdem - oder gerade deswegen - macht mir seine Anwesenheit schrecklich Angst.
Angst um Malekin.
Er ist zornig, weil wir es nicht öffnen können. Malekin hält
das grüne Buch in der Hand.
Es war einmal, flüstert es mir zu. Vor langer Zeit. In einem fernen Land.
Laß dir berichten, was geschah.
Wir können es öffnen, sage ich. Ich weiß es. Wenn ich nur wüßte
wie!
Das scheint ihn nicht zu besänftigen. Gut, daß die Geschwister Leberecht
nicht da sind. Sie würden sich sicher beschweren, weil er auf ihrem Tisch
hockt wie ein sprungbereites Raubtier.
Josefa und Thomas sind zurück, obwohl die Besprechung oben noch nicht beendet
scheint.
Sie wirken sehr besorgt um Malekin und versuchen, ihn nach draußen zu
bringen, damit er sich beruhigt. Ach, wenn das nur helfen würde! Sie bringen
ihn nach draußen, und können doch nicht herausbringen, was in ihm
ist. Was ihn nicht stillstehen läßt, sein Gesicht verzerrt, seinen
Körper und seinen Geist zum Zerreißen spannt.
Dann sagt Josefa etwas sehr seltsames. Ich soll dir etwas von Katinka ausrichten.
Wann habe ich ihr das denn gesagt? Und warum sollte ich so etwas tun? Ich kann
doch jede Nacht direkt mit ihm reden?