Aber ich habe gesehen, wie es in seinen Augen aufblitzte, als Malekin ihm die Gelegenheit anbot, mich heute abend zurückzugewinnen. Jagdinstinkt oder Spieltrieb? Beides. Wenn er spielen will, soll er spielen. Die Regeln sind einfach: kein Blut, keine Beeinflussung durch nich menschliche Kräfte. Jetzt bin ich gespannt, wie er mich überzeugen will.
Ich beginne, aktiv an dem Spiel teilzunehmen. Von Tessa erfahre ich einiges über das Vampir-Dasein. Sie ist wirklich nett, schrecklich besorgt um mich, ich brauche bloß zu husten und sie ist da (und in meinem Fall ist das wirklich ein anstrengender Job). Ich habe das Gefühl, sie ist die einzige hier, die die Wahrheit sagt. Wahrscheinlich weil sie genau das sagt, was ich hören will. Malekin liegt am Herzen, daß sie auf mich aufpaßt. Er wird da sein, wenn ich aufwache. Er wird sich um mich kümmern.
Pah! Er will mich gar nicht! Er spricht ja nicht einmal mit mir.
Dabei kann ich meine Augen nicht von diesem Gemälde an der Wand abwenden. Ich verstehe es überhaupt nichts, nichtmal annähernd. Aber es ist so wunderschön...

Die Gräfin beschwert sich über das Konservenblut, während die anderen ‚Prinz William' trinken, frisch aus London importiert. Sie behaupten, den englischen Adel fest unter Kontrolle zu haben. Wie weit sind sie in die Politik der Menschen wirklich verwickelt? Irgendjemand erzählt mir, daß Vampire für den zweiten Weltkrieg ebenso verantwortlich sind wie für die meisten anderen Kriege, Bürgerkriege, Revolutionen und Terror-Regimes auch. Es geht ihnen nicht darum, politische Macht auszuüben oder wichtige Ereignisse aus dem Hintergrund zu lenken. Alles ist nur ein lustiges Spiel, genau wie dieser Abend.
Sie sind, was dem Menschen von jeher bestimmt war zu sein, und was er so hartnäckig zu leugnen versucht: Tiere.

Ich lerne Laurel kennen, einen richtigen Ghoul. Sie versucht, mich von den Vorteilen des Ghoul-Daseins im Gegensatz zum Vampir-Unleben zu überzeugen. Es gibt nichts besseres. Man muß nicht sterben, wird nie krank und lebt solange man regelmäßig mit Vampirblut versorgt wird. Das klingt ja eigentlich nicht schlecht. Ich versuche, Argumente dagegen ins Feld zu führen - schließlich hat Malfeis es auch nicht geschafft, mich seinen Überfall vergessen zu lassen, wie kann ich also sicher sein, daß andere derartige Dinge bei mir funktionieren - und was ist, wenn der Meister verhindert ist,

und seinem Ghoul kein Blut mehr geben kann? - etcetc., aber das ist es nicht, weshalb ich davon nichts halte. Selbst wenn es Malekins Blut wäre, das mich zum Ghoul macht, wäre mir das nicht mehr genug. Ich will mehr als nur meine Krankheit loswerden. Ich lasse Laurel stehen und studiere nochmal das Gemälde.
Es gibt keinen Sinn, aber dazu ist es nicht gemacht. Meine Augen können nicht erkennen, worin seine Schönheit liegt, genauso wenig, wie mein Verstand es erfassen kann, doch ich fühle es. Es ist schöner als alles, was ich je gesehen habe.

Die Gräfin steht hinter mir. Der Hunger in ihren Augen erschreckt mich. Sie hat genug von kaltem Konservenblut, sagt sie, und das einzige, was mich davon abhält wegzulaufen, ist Tessas Anwesenheit. Noch bin ich mehr als ein warmer Nachtisch. Aber wer weiß, ob sie ihre Meinung darüber nicht ändern, sobald es ihnen langweilig geworden ist, mit mir zu spielen.
Und schon beansprucht mich der nächste Mitspieler für sich. Leonardo will mich unter vier Augen sprechen. Bis jetzt ließ sich nicht herausfinden, was für einem Clan er angehört, und auch sonst ist er nicht sehr auskunftsfreudig. Statt dessen fragt er mich aus. Immerhin war er so nett, mir ein Glas Wasser zu bringen. Und warum soll ich mich nicht auch auf sein Spiel einlassen? Er will wissen, warum ich mir einen Malkavianer als Sire ausgesucht habe. Als ob ich jemals die Wahl gehabt hätte! Das war reines Glück. Oder wäre vielmehr Glück gewesen, wenn es funktioniert hätte, aber das sage ich nicht. Er fragt, ob ich mir nicht noch etwas besseres vorstellen könnte als Malkavianerblut, und zieht mich tiefer in die dunkle Nische. Was er sagt, klingt eigentlich sehr plausibel, warum sollte es nicht noch etwas besseres geben? Und wenn ja, dann sollte ich auf jeden Fall versuchen, es zu bekommen. Sogar das Wasser, das er mir gebracht hat, scheint besser als gewöhnliches Wasser. Ich muß mehr von Leonardo wissen, von dem, was er mir zu bieten hat. Tessa unterbricht unsere Unterhaltung, sie steht direkt hinter mir. Ich drehe mich um und sehe Malekins Gemälde vor mir, aus einem anderen Blickwinkel und in seiner vollen Schönheit.Natürlich gibt es etwas besseres, als nur Malkavianerblut zu trinken. Malkavianer werden zum Beispiel.

Aufnahme

Entlassung