Malfeis
zuckt verständnislos die Schultern und nimmt die beiden mit. Ich starre
ihnen hinterher, während Malekin sich mit ein paar anderen Vampiren unterhält.
Oder Menschen? Der Unterschied ist hier erstaunlich schwer festzustellen. Ich
muß wohl noch einiges lernen.
Malekin ist der gleichen Ansicht. Er fragt mich ab, während er mir den
Mantel abnimmt.
Auf dem Weg hierher haben wir drei Zeichen gesehen. Welche waren es, und was
bedeuten sie?
Zeichen? Ich kann nur raten. Die Glocke? Falsch. Der seelenlose Blick des Stofftiers.
Schon besser. Aber was das bedeuten soll...? Das Krankenhaus? Völlig falsch.
Ich weiß nicht, was er von mir hören möchte, und er sagt es
mir nicht. Pech gehabt. Ab sofort werde ich besser auf alles achten, was ich
sehe.
Wir ziehen uns vom Lärm der Tanzfläche nach oben an die Bar zurück.
Bei einem Weinglas voll kaltem Blut läßt sich das Treiben unten von
hier aus gut beobachten. Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob ich besonders gut
finde, was ich sehe. Nackte, gefesselte Frauen in Posen, die einfach wehtun
müssen, starren mich von den Wänden herunter an. Unter uns beginnt
ein Abend, der noch um einiges extremer zu werden verspricht als diese Bilder.
Die drei Zeichen waren das Stofftier, der Neon-Zahn, und die rote Ampel, an
der wir warten mußten, klärt mich Malekin unerwartet auf. Weißt
du jetzt, was sie bedeuten?
Nein.
Jedem von ihnen folgte etwas.
Ich weiß es nicht.
Grünes Feuer. Das ist es, was die Zeichen uns für heute Abend ankündigen.
Grünes Feuer? Das Wort Feuer macht mich unruhig, obwohl ich weiß,
daß er kein echtes Feuer meint. Und auch nicht die scharfe Soße,
die es beim Mexikaner um die Ecke gibt, obwohl das interessant werden könnte.
Grünes Feuer... Smaragde. Werden wir wie Nero die Gladiatorenspiele dieser
Nacht durch einen Smaragd betrachten, klarer als die Wirklichkeit und zugleich
weichgezeichnet und in sanftes Grün getaucht...? Werden wir die Stadt am
Ende in Brand setzen, nur um sie brennen zu sehen?
Was waren deine Zeichen, fragt Malekin, bevor ich weiter darüber nachdenken
kann.
Ich
habe keine gesehen, will ich sagen, aber das stimmt nicht. Die Nacht um mich
herum war voller Zeichen. Die Glocke. Der Lungenarzt! Der Arzt, der Gebrauchtwagen
verkauft. Sie haben zu mir gesprochen, aber ich weiß nicht, was sie gesagt
haben.
Um die richtigen Antworten zu bekommen, muß ich erst lernen, die richtigen
Fragen zu stellen. Das wird ein anstrengender Abend.
Doch unerwartet bekomme ich plötzlich Antworten. Malekin erklärt mir,
wo unser Name herkommt. Mal von Lateinisch schlecht'? Von Griechisch krank'?
Oder von der Esperanto-Vorsilbe "un-", werfe ich ein. Als ob ich mit
diesem lahmen Scherz über meine beschämende Unwissenheit hinwegtäuschen
könnte. Nicht einmal an die einfachsten Dinge aus der Bibel erinnere ich
mich. Und das, obwohl ich mir bei meinen Nachforschungen solche Mühe gegeben
habe! Wie konnte ich das Land Nod übersehen, die Verbannung von Kain? Siebenfache
Schande über mich!
Weder Griechisch noch Latein, das Wort kommt aus dem Judäischen. Malak.
Engel. Wir sind Engel. König. Wir sind Könige? Verschwinden. Wir sind
unsichtbar. Engel? Welcher Religion? Gute Engel? Oder gefallene? Oder beides?
Könige? Herrscher über wen? Unsichtbar...? So viele Fragen, aber erst
bin ich wieder mit Antworten dran.
Wie lauten die Gesetze der Maskerade?
Das ist einfach. - Ist es nicht. Das einzige, an das ich mich erinnere ist Du
brauchst die Erlaubnis deines Prinzen, um ein Kind zu erschaffen'.
Dieser Abend hat sich so deutlich in mein Gedächtnis eingebrannt, daß
ich bloß die Augen zu schließen brauche und jede Sekunde mit meinem
ganzen Körper wahrnehme. Und doch ist die Erinnerung nicht greifbar, nicht
mit Worten wiederzugeben.
Was muß Malekin von mir denken! Bestenfalls hält er mich für
undankbar, wahrscheinlicher für ziemlich beschränkt. Womit er recht
hat, wenn ich mir nicht mal ein paar einfache Sätze merken kann. Doch er
lacht und behauptet, die Gesetze selbst nicht auswendig zu können. Meistens
beachtet man sie von selbst.
Die Regeln von Malekin sind weniger offensichtlich. Du sollst dich nicht erwischen
lassen, lautet die erste. Das elfte Gebot.