14.03.03
Sonnenuntergang. Gerade vorüber, und schon sind wir unterwegs. Ich bin mir nicht sicher, ob es die Müdigkeit ist, oder die Kälte, die es so schwer macht, sich zu bewegen. Herr Krell hat Zeit und Ort vorgeschlagen. Knallhart. Brujah eben. Manchmal muss man Klischees erfüllen.
Ich habe Anna bei ihrem Treffpunkt mit Herrn McConnor abgeliefert, und bin dann diskret verschwunden, um Malekin zu treffen.
Es tut gut, ihn wieder zu sehen. Mit ihm spazieren zu gehen. Dicht an dicht durch den Park, und es macht gar nichts aus, dass wir dicht an der Residenz sind. Ganz im Gegenteil. Vielleicht ist das hier der einzige einigermaßen sichere Ort in der Innenstadt, nachdem Herr Vanderbilt diese ja als sein persönliches Territorium beansprucht.
Eine Weile folgen wir unbemerkt Anna und dem Sheriff, dann schwenken wir um und stoßen in der Mitte des Hofgartens auf die anderen. Josefa und Georges. Herr Krell, Frau Velazquez, ???, und der neue, den ich auf der Konklave kurz gesehen habe. Herr Kramer mit Begleitung.
Und in der Entfernung Anna und McConnor. Offenbar ist keiner über die Gegenwart eines Ventrue erfreut. Lästige Malkavianer. Auch Anna erfüllt heute ein Klischee.
Wir bleiben stehen und hören zu. Sie sprechen - natürlich - über Vanderbilt, ohne dass wirklich viel gesagt wird. Fast bin ich versucht, einen Tanz um die Gruppe herum aufzuführen. Nur so, weil mich keiner sieht. Aber dazu ist es doch zu kalt. Außerdem müsste ich Malekin erst davon überzeugen, denn er müsste natürlich mittanzen. Und das wäre ihm sicher zu albern. Ich sehe in seine Augen, und entdecke ein sehr unernstes Blitzen. Eine noch viel bessere Idee...?
Wir entfernen uns ein Stück von der Gruppe, und müssen uns kaum absprechen, um zu wissen, was wir vorhaben. Ich konzentriere mich. Beschwöre vor meinem inneren Auge das Bild von Herrn Vanderbilt herauf. Cornelius der Erste. So sehr Gentleman an jenem Abend voller erschreckender Ungeheuer, als ich starb. So erschrocken an dem Abend, als wir Ungeheuer spielten und so viele Ghoule starben. So erschreckend neulich Abend, als er Ungeheuer heraufbeschwor, und sein Gegner beinahe starb.
Mir ist klar, dass dieses oberflächliche Bild nicht reichen wird, aber es geht ja nur um den ersten Überraschungseffekt. Ehrlich gesagt wäre es sogar besser, wenn sie die Täuschung gleich auf den zweiten Blick erkennen, wer weiss, was sie sonst mit uns tun. Ich sehe Malekin an, und er sieht aus wie Vanderbilt. Gut. Bloss das Grinsen passt nicht. Er wird ernst - Gentleman, leicht konsterniert, aber stets Herr der Situation - und wir treten zur Gruppe.
"Guten Abend, meine Herrschaften. Na, auch auf der Suche nach einem kleinen Imbiss?"

  Fast erschrecke ich selbst, weil Malekins Stimme so nach Vanderbilt klingt, aber die überraschten Gesichter sind zu komisch. Ich muss lachen, und meine Konzentration ist gebrochen. Die Maske fällt.
Keiner scheint den Scherz besonders lustig zu finden. Vor allem nicht McConnor, der mittlerweile doch geduldet wird. Ich gehe zu Anna - wenigstens in ihrem Gesicht sehe ich die gewünschte Reaktion. Ich weiß nicht, ob ich lachen oder schreien soll, sagt sie. Und recht hat sie. Das ist genau unsere Situation. Der Justikar hat die Blutjagd auf unseren Prinzen ausgerufen. Weil er diableriert hat. Weil er diableriert hat, ist er schrecklich mächtig. (Was präzise der Grund ist, warum alle die Diablerie für so abscheulich halten. Niemandem geht es um die Seele der Opfer.) Weil er schrecklich mächtig ist, ist er noch hier, und wird nicht ohne weiteres gehen. Wir aber müssen gegen ihn kämpfen. Weil der Justikar die Blutjagd auf ihn ausgerufen hat. Kein perfekt runder Teufelskreis, aber es kommt dem schon ziemlich nahe. Wie soll man da wissen, ob man lachen oder schreien soll?
Wir wählen die dritte, immer anwendbare Alternative und reden über Politik. Tauschen Neuigkeiten von der Konklave aus und überlegen, was zu tun ist. Und Josefa lässt Herrn Krell als Wortführer gewähren.
Das allein schon könnte den Abend interessant machen, aber Annas Kommentare, die mit wenigen Worten herrlich spitz auf den Punkt bringen, wie absurd/unsinnig/verlogen/typisch es ist, was wir sagen, machen das ganze auch noch richtig vergnüglich.
Nicht mal die Tatsache, dass wir in ein Cafe umziehen, und zur Wahrung der Maskerade etwas konsumieren müssen, kann mir da noch die Laune verderben. Ich sitze zwischen Malekin und Malekin, lasse die Gespräche an mir vorbeiziehen, ignoriere den scheußlichen Geschmack der heißen Schokolade, und genieße die Perfektion des Augenblicks.
Anna reißt mich aus meinen Gedanken. Sie will wissen, wie wir das gemacht haben, mit Vanderbilt. Ich versuche, ihr zu erklären, dass es nicht viel anders ist, als sich zu verdunkeln. Bloss... konzentrationsintensiver. Anstatt den anderen glauben zu machen, dass dort, wo man ist, einfach nichts ist, muss man ihn davon überzeugen, dass dort etwas ist, was nicht da ist. Und davon muss man ein relativ klares Bild haben, und aufrecht erhalten. Das ist das eigentlich schwierige daran. Ich glaube nicht, dass ich mich verständlich ausdrücke. Wahrscheinlich ist eine praktische Lektion besser. Geduld, mein Kind.
Die Diskussion hat einen interessanten Punkt erreicht. Wer soll die Domäne in Zukunft führen?
Das Thema Triumvirat schwebt im Raum. Drei Anführer statt einem. Schwingt da ein Hauch von Demokratie mit? Täte uns gut. Ich bin dafür, obwohl ich nicht glaube, dass es funktionieren wird.
Entlassung
Aufnahme