Samstag,
30.12.2000, 19:10
Rasthof Höhenrain.
Unser Treffpunkt.
Ich habe unsere Primogena abgeholt, und wir sind gemeinsam hergefahren. Haben
uns unterwegs über Banalitäten unterhalten, über München,
über Musik, über Kleidung, über die kleinen Nebensächlichkeiten
des vampirischen Daseins. Nur um nicht schweigen und nachdenken zu müssen.
Der Rastplatz ist voller Vampire. Drinnen im Restaurant sind auch ein paar Menschen
- Lastwagenfahrer, ein übermüdetes Ehepaar, ein paar verirrte Teenager
- doch sie beachten die bizarre Ansammlung von Toten draußen auf dem Parkplatz
gar nicht.
Soweit ich sehen kann, sind alle gekommen. Sogar Leia Wan Kenobi, die doch nur
Gast in unserer Domäne ist, hat sich uns angeschlossen. Im kampfroten Morgenmantel.
That's the spirit. Und McGarfield hat seinen Ghoul mitgebracht. Im Prinzip nicht
dumm. Ich würde bloß Nahrung vorziehen, die ich bei mir tragen kann,
und die nicht im Zweifelsfall wegläuft. Obwohl sie das in diesem Kleid
wahrscheinlich sowieso nicht kann.
Das erinnert mich daran, daß ich Thomas Kantner von Malekin etwas geben
soll. Ich überreiche ihm die Behälter mit den Worten, die Malekin
mir gesagt hat. Ein Mittel gegen die Gerinnung, deswegen ist der Geschmack vielleicht
etwas seltsam, aber sonst enthält es nichts. Kurz sehe ich Mißtrauen
in Thomas' Blick aufleuchten, doch dann lächelt er. Warum sollte er auch
Malekin mißtrauen. Obwohl der Gedanke, ausgerechnet jetzt in das malkavianische
Prank-Klischee zu verfallen und ihm Blutkonserven mit interessanter Wirkung
zu geben, einen Augenblick lang sehr verlockend wirkt. Vielleicht könnte
man aus dem Sabbat-Kampf doch noch eine lustige Party machen. Albernes Mädchen.
Doch Albernheit scheint sich auszubreiten. Man steht in kleinen Grüppchen
herum, und scherzt verkrampft, lacht gezwungen und benimmt sich wie auf einem
Schulausflug. Regel Nummer 5.
Während wir auf Nachzügler warten, werden letzte Vorbereitungen getroffen,
Waffen werden ausgeteilt - wo hat der Giovanni nur so ein riesiges Waffenarsenal
her? - Rüstungen angelegt, Absprachen getroffen. Thomas kommt zu mir und
gibt mir ein Kettenhemd. Einfach so.
Das hat mal einer
alten Freundin gehört. Vielleicht hält es den einen oder anderen Pflock
ab.
Ich bin gerührt. Auch wenn es mir widerstrebt, das Ding anzuziehen. Wird
es wirklich so weit kommen, daß ich es brauchen werde? Ich fühle
mich jedenfalls nicht direkt sicherer damit.
Die Nervosität, die mich schon den ganzen Abend begleitet, wird immer stärker.
Ich kann nicht dagegen an, mich dauernd umzuschauen, und kann doch nichts entdecken.
Es ist, als ob etwas nach mir greift. Hinter
mir dunkel - und vor mir?
Josefa kümmert sich rührend um mich. Sie versucht mich aufzumuntern
und verspricht, in meiner Nähe zu bleiben und auf mich aufzupassen. Ich
verkneife mir die Frage, ob sie etwas derartiges schon einmal gemacht hat. Schließlich
will ich nicht undankbar erscheinen.
Christopher läuft an uns vorbei. Er sieht so aus wie ich mich fühle.
Könnten wir nicht lieber versuchen, mit dem Sabbat zu verhandeln, sagt
sein Blick. Doch natürlich weiß er, daß das keine Option ist.
Er wird sich auf den Glücksbringer, den er bei sich trägt, verlassen
müssen.
Ich schaue zum Himmel. Der Mond versteckt sich hinter den Wolken. Ist das ein
schlechtes Zeichen? Oder will er mir sagen, daß ich mich auch verstecken
soll?
Wir sind vollzählig, der Prinz spricht ein paar motivierende Worte, die
keiner hören will - ich finde, sie sind ungerecht zu ihm. Oder sehen sie
unter der dünnen Mehlschicht das schwarze Fell, hören durch die Kreide
hindurch die rauhe, tiefe Stimme des Wolfes?
Krell teilt uns in Gruppen ein. Josefa packt mich kurzerhand und zieht mich
in ihr Team. Thomas, Christopher und Krell scheinen nicht begeistert, aber sie
sagen nichts.
Wir sind die dritte Gruppe. Jurek, Eric McKinley, Rainer Schmidt, Hagen Schneider,
Josefa und ich. Immerhin sehen einige von uns so aus, als wären sie einigermaßen
auf den Abend vorbereitet, auch wenn ich immer noch nicht glaube, daß
auch nur einer von ihnen annähernd ausreichende Kampferfahrung hat. Und
ich bin mir nicht sicher, ob es klug ist, daß wir uns aufteilen.
Josefa gibt mir eine Waffe und erklärt mir, wie ich sie benutzen muß.
Muß ich wirklich? Am liebsten würde ich sie weit von mir werfen,
anstatt sie einzustecken.