Ich könnte einfach nicht hingehen. Hier in unserem sicheren Hafen bleiben, bis das ganze vorbei ist, und darauf hoffen, daß die Ahnen mich vergessen. Oder es nicht für sinnvoll halten, die wenigen Kainiten, die die Nacht überlebt haben, auch noch zu vernichten. Andererseits... es sind Vampire. Warum sollte ich auf ihre Vernunft zählen?
Aber das ist nicht der Grund, warum ich mich nicht verstecken sondern mich diesem Wahnsinn stellen werde.
Malekin erwartet von mir, daß ich dort bin. Daß ich mich am Kampf beteilige. Daß ich lerne. Lerne, was es bedeutet, wenn sich wandelnde Tote um der Politik willen gegenseitig abschlachten. Regel Nummer 4. Alles ist Wahnsinn.
Ich werde Malekin nicht enttäuschen. Zumindest werde ich es versuchen. Auch wenn ich mich allein ohne ihn schon unter Camarilla-Vampiren völlig verloren fühle.
Ich frage mich, was Malfeis damit bezweckt, daß er ausgerechnet Malekin ausgewählt hat, mit ihm das Elysium zu schützen. Er hat mich neulich den ganzen Abend so seltsam angesehen. Als würde er mir einen Streich spielen wollen. Aber Malfeis ist nicht der Typ für Streiche. Und gleich zwei an einem Abend... Was will er von mir? Von uns? Was hat er vor?
I think I'm paranoid - manipulated?
Ich habe Angst vor dieser Nacht. Und gleichzeitig empfinde ich etwas wie eine perverse Art von Vorfreude. Ungeduld. Spannung. Als könnte mir nichts geschehen, als wäre alles nur ein Spiel. Ich muß verrückt sein. Bin das wirklich ich?
Ich starre in den Spiegel aus Schnee und Dunkelheit und Fensterglas. Versuche, dahinter zu blicken.
Mein Spiegelbild lacht über mich, lacht mich aus. Dornröschen reicht Goldmarie die blutige Spindel und stößt sie in den Brunnen. Hüte dich, dummes Mädchen, daß du dich nicht stichst und hundert Jahre schläfst, als wärst du tot.
Er blickt mich aus dem Spiegel an, sein mildes Lächeln, seine sanften Augen kaum erkennbar unter der Kapuze seiner Kutte, und doch brennt ein Feuer dahinter, das kälter ist als die Hölle, eine Gier, die selbst den Hunger nach Vita übertrifft. Er wird mich besuchen heute nacht, wird mich benutzen, um an dem Spiel teilzuhaben, um seinen Spaß zu haben um sich von meiner Angst von ihrem Blut zu nähren um die bösen Dinge zu tun oh bitte nicht, nein, bitte

Es ist spät geworden. Zeit zu gehen.
Ei, Vater, ich will gerne was lernen; ja, wenn's anginge, so möchte ich lernen, daß mir's gruselte; davon verstehe ich noch gar nichts.
Ach, sprach der Vater, mit dir erleb ich nur Unglück, geh mir aus den Augen, ich will dich nicht mehr ansehen.
Ja, Vater, recht gerne, wartet nur, bis Tag ist, da will ich ausgehen und das Gruseln lernen, so versteh ich doch eine Kunst, die mich ernähren kann.
Lerne, was du willst, sprach der Vater, mir ist alles einerlei. Da hast du fünfzig Taler, damit geh in die weite Welt und sage keinem Menschen wo du her bist und wer dein Vater ist, denn ich muß mich deiner schämen.
Ja, Vater, wie Ihr's haben wollt, wenn Ihr nicht mehr verlangt, das kann ich leicht in acht behalten.
Als nun der Tag anbrach, steckte der Junge seine fünfzig Taler in die Tasche, ging hinaus auf die große Landstraße und sprach immer vor sich hin 'wenn mir's nur gruselte! wenn mir's nur gruselte!'
Aufnahme

Entlassung