Bleiche Haut, sei es
aus Mangel an Blut oder aufgrund leichenblasser Schminke. Verlangen. Ich weiß.
Ich bin überheblich, irre mich. Und doch. Ich kann nichts anderes sehen
als wimmernde Säuglinge. Mein eigenes Lachen klingt viel mehr nach Wimmern,
als es mir lieb ist.
Und Kantinka? Sie beginnt zu begreifen. Und kann es nicht fassen.
Malfeis stellt uns zwei
Freunde vor. Max, den Künstler, und seine Muse. Ein Künstler in
Fleisch und Blut, ohne Zweifel. Seine schwarze Schürze ist mehr als künstlerisches
Statement. Er redet mit mir. Redet von Wahnsinn. Von Psychopathen. Von Kunst.
Von einer Performance. Will meine Hilfe.
'Aber Max! Die hast Du doch nicht mehr nötig!' lächle schweigend
ich in sein Gesicht und entledige mich seiner mit unverständlichen, typisch
malkavianischen Sätzen. Und obwohl ich nur Unfug rede, hält er mich
für wahnsinnig. Funktioniert immer wieder.
Wahr nehmen, Katinka.
Wahr nehmen ist alles, was uns am Leben erhält. Am Tode. Laß uns
die Wahr nehmen. Lebende. Tote. Warmes Blut. Heißes Blut. Kaltes Blut.
Atme sie ein.
Ich nehme Katinka zu mir. Wir sitzen auf einer Galerie und lassen die Toten
und die Lebenden an uns vorüberziehen. Sind sie wirklich ich? Ich muß
zugeben, die wenigsten von ihnen scheinen von Bedeutung zu sein.
Und doch. Ich genieße das Treiben der Masse. Bilder und Bewegungen in
der Peripherie meiner Aufmerksamkeit. Das nötige diffuse weiße
Rauschen, um einen Fokus zu finden. Katinka.
Was immer Malfeis ihr hier demonstrieren will, er wird heute nicht der einzige
sein, der Katinka etwas beibringt.
Wie Verschwörer neigen wir unsere Köpfe und ich berichte ihr. Gebe
ihr Antwort. Antwort, die wie eine Faust das Glas eines Spiegels zerschlägt.
Sage mir, welche Antwort ist die Wahrheit? Jene, die den Spiegel zerschlägt,
oder jene, die sich im Glas wiederspiegelt - erst einfach, bis sie sich treffen
auf dem Glas, dann tausendfach? Welcher schenken wir Glauben?
Malkav. Sein Name. Das weiße Rauschen tritt weiter in den Hintergrund,
bis wir uns nur noch umeinander drehen, tanzen, schweben. Und ich nenne ihr
die Worte.
Mal. Schlecht. Böse. Maligne. Malicious. Via mala. Malodorous. Malaise.
Malfeis? Honi qui mal y pense! Wer denkt noch weiter.
Lateinische Wurzel. Wir
sind unsterblich und viele von uns wirklich alt. Doch die wenigsten denken
weiter. Weiter zurück. Die Griechen, zum Beispiel. Die Asklepiden nannten
Krankheit Malakia. Unabhängiger Wortstamm, nein? Oder weiter östlich,
die Osmanen. Maliye. Finanzamt. Ein wirklich bösartiges Wort!
Doch weiter, viel weiter! Malak. Ein Name zog mit dem vertriebenen Volk. Lebte
in den Zelten. Kam nach Jerusalem. An einen Ort, dessen Name wir alle kennen!
Malak. Der König. Über das öde Land
Malak. Das öde Land. Im Schatten
Malak. Der Engel. Dessen Schwingen Schatten werfen.
Genug der Offenbarung. Eine Frage stelle ich ihr noch. Wie heißt der
Prophet, der Malkav war?
Malak. Hm. Ist das nicht das türkische Wort für Büffelkalb?
Ein Schrei zersticht unsere
Blase. Unter uns, auf der Treppe. Ein Mensch. An seiner Kehle ein Brujah.
Zornig. Durstig. Eine zweite an seinen Arm. Andere lachend um ihn herum. Mord
oder Umarmung?
Mit einem jähen Stoß lassen sie ihn zu Boden sinken, während
sein Herz noch immer Blut aus seinen Adern pumpt. Ein dünner Fluß.
Ich packe Katinkas Arm, eile zu ihm, solange er noch lebt. Ich führe
sie. In ihn. Lasse sie erleben. Ersterben? An den Sterbenden kann man es am
besten lernen. Sie wehren sich nicht, wenn man zärtlich ist. Ihnen Frieden
vorgaukelt, wie ein Narkotikum Schlaf. Schock. Tachykardie. ARDS. Intravasale
Gerinnung. Exitus.
Ich löse vorsichtig Katinkas Hände von meinem Gesicht, so wie ich
meine Finger aus dem Gesicht des Toten löse. Führe sie weg. Die
Brujah kommen wieder näher. Ich lassen uns von der Welle ihrer Aggression
davontreiben. Umarmung also. So geht es auch. Warum? Weil sie es können.
Und doch, was ich meine ist: Weil Du es kannst, Katinka. Und ihre Augen, sie
leuchten.
Sie leckt ihre Lippen. Das Gesehene ängstigt sie. Erregt sie. Irre nicht,
Katinka. Es ist nur Illusion. Zeit für unsere Regeln. Malekins Regeln.
Weißes Rauschen? Gut. Laß uns tanzen.