11.11.00
Ich bin verwundert. Welchem Zweck dient diese Übung? Aber ach! Ich weiß, wenn die Älteren es wünschen, so ist es an mir, ihre Wünsche zu erfüllen. So schreibe ich meine Kommentare in das Tagebuch der Tochter und der Mutter, ergänze unsere Sicht der Dinge zu einem unausgewogenen Einem. Warum schreiben, wenn unser Gedächtnis Buch genug ist für Malekin? Vielleicht kenne ich den Grund, nein?
Ich schreibe, doch jetzt kann ich lächeln, das trotzige Lächeln eines ungezogenen Kindes.
Und ich erinnere mich an den Mond. Mond.

Mond. Vollmond. Tiefrot als er aufgeht. Shine black the sun, shine red the moon... Ein Vorzeichen für diese Nacht? Will er mich warnen? Wovor? Ich weiß, daß wir durch Werwolfgebiet müssen, um Innsbruck zu erreichen. Ich weiß, daß der Abend voller Herausforderungen sein wird - strenge Etikette, zahllose ältere, mächtige Vampire, die vielleicht genauso von ihrer eigenen Existenz gelangweilt sind wie die Brujah von Infernal Desire, und die in Ermangelung menschlichen Spielzeugs sicherlich am ehesten auf Kinder - Freiwild - zurückgreifen werden... Ich weiß, wie wichtig dieser Abend für uns ist, und ich weiß, wie leicht ich etwas falsch machen und unsere Hoffnung auf Rückkehr nach München zunichte machen kann.

Ja, München! Ort meiner Forschungen. Ort meiner größten Entdeckung für Malekin: Katinka. Ort vieler Erinnerungen an vergangene Brüder und Schwestern, die Whampyri von allerlei Clans, die uns soviel Unterhaltung boten. Wenn ich alleine an die Nacht mit 'Merit' und 'Apophis' denke!
Und jetzt sind sie vergangen oder flohen die Bosheit des Sabbaths.
Es ist an Malekin in diese Stadt zurückzukehren. Doch die neue Camarilla dort kennt uns nicht und mag wohl weise daran sein, allem Fremden zu mißtrauen.
Und wenn es für Malekin viele Mittel und Wege gibt, so ist dieser doch der bevorzugte.

Doch nichts von alledem kann mich im Moment beunruhigen. Nicht hier, im Auto neben Malekin, im Schein des perfekten Vollmondes, der den Schnee auf den Bergspitzen leuchten läßt und die Nacht zum Tag macht.
Ob er sich Sorgen macht? Er läßt mich die Gesetze der Maskerade wiederholen - diesmal kriege ich sie hin, nicht den genauen Wortlaut, aber den Sinn, das muß genügen - dann Malekins Regeln, und er erklärt mir nochmal, wie ich mich wem gegenüber zu verhalten habe.

Euer Gnaden. Eure Durchlaucht. Euer Erstgeboren. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das ganze spannend finden soll oder albern. Auf der Vernissage in Garching hatte ich nicht den Eindruck, daß die Vampire so miteinander umgehen. Die Frage ist, haben sie es nur vermieden, um die Maskerade zu wahren, oder sind sie wirklich lockerer drauf als die titelverliebten, traditionsbewußten Österreicher? Ich hoffe letzteres. Nach allem, was man hört, sind die Münchner noch recht jung und unkonventionell. Was auch immer das nach vampirischen Maßstäben heißen mag.

Titel, Etikette, Manieren. Ich beherrsche sie wohl, denn Malekin selbst lehrte sie mich, bis mein Blut das weiße Tuch tränkte. Ich erkenne ihren Sinn und doch sehne ich mich nach der Zeit in München wo es die Tat war, die regierte. Ich frage mich, ob dies Ebners Laissez-faire zu verdanken ist oder dem Tatendrang des Gangrel. Wenn München tatsächlich so unkonventionell ist, dann bin ich gespannt, wie sie sich präsentieren werden.

Der Gangrel, der uns chauffiert, hat seine Sache gut gemacht - keine Spur von Werwölfen. Es mag verrückt sein, aber irgendwie bin ich fast ein bißchen enttäuscht. Hätte zu gern mal einen gesehen. Nur um die Bestätigung zu haben, daß sie nicht so häßlich sind wie in den meisten Filmen. Und nicht so haarlos. Aber gut, wir sind unbeschadet angekommen, beziehen unser wenig komfortables, aber sicheres Tagquartier, und stellen fest, daß wir schon recht spät dran sind.

Der Prinz - Dr. Dr. Erich Fromm, Erzherzog der Domänen zu Innsbruck, Bregenz und Bozen - hat bereits mit seiner Willkommensrede begonnen. Wir müssen mit ein paar anderen verspäteten Gästen draußen warten, bis er geendet hat. Zu meiner Freude sehe ich Malfeis. Sicherlich ein Satz, der nicht oft über ihn geschrieben wird. Aber wenigstens ist ein bekanntest Gesicht hier, und trotz (wegen?) allem, was in der Vergangenheit geschehen ist, bin ich mir sicher, daß er den Malekins nichts Böses will. Immerhin behauptet er, auch Malkavianer zu sein, obwohl ich mir da nicht ganz so sicher bin.

Ah! Malfeis, alter Freund? Wir erinnern uns, nicht wahr und ich reibe meinen Hals, dort, wo die Narben sein sollten. Ich spüre, wie sich unser Begehr ähnelt. München.

Aufnahme

Entlassung