25.1.02
Wir kommen als erste an. Gediegenes Ambiente hohe Gewölbe mit kahlen, feuchten Wänden, feste Sitzordnung Halterungen für Ketten, Überreste von primitiven Strohlagern auf dem Boden, die einzige künstlerische Freiheit ist ein teuer aussehendes Schachbrett Wahnsinn an einem der Tische. Dieser ist allerdings für Nicht-Ahnen tabu, wie uns gleich am Anfang mitgeteilt wird. Innsbruck ist eben Regensburg Innsbruck.
Allerdings gibt es einige neue Gesichter. Der Organisator des Abends zum Beispiel, ein Mr. Watts, der Malekin als amtierende Harpyie sofort mit Beschlag belegt. Ich nutze die Zeit, um andere eintreffende Fremde zu beobachten - wie die Kufsteiner wohl sind? Denn sie sind wohl die Stargäste des Abends Autarkis. Oder der Hauptpreis.
Anna ist tatsächlich gekommen. Sie besitzt genug Abenteuerlust, um immer wieder auf den Elysien aufzutauchen, und genug Vernunft, sich immer in unserer Nähe aufzuhalten. Kluges Kind.
George Dufraisse trifft ein, nicht mit Josefa, sondern mit einem Ghoul im Schlepptau, die leicht benebelt wirkt und alles totaaal cooool und abgespaced findet. Wieviele Drogen kämpfen wohl um ihren Körper? Weißes Pulver gegen rote Flüssigkeit. Ob man mit einer Sucht die andere besiegen kann?
Josefa ist in München geblieben und arbeitet fieberhaft an der Beseitigung ihres Problems. Warum macht mich das Wort Beseitigung unruhig?
Christopher ist da, er ist der einzige, der sich an die vorgegebene Sitzordnung hält und seinen Platz am Malkavianertisch eingenommen hat. Als Tremere. Ich kann seine Augen hinter der Sonnenbrille nicht sehen, und doch fühle ich mich durchbohrt von seinen Blicken. Ich spreche ihn an, doch er ist wortkarg und gleichgültig."Das ist nicht wichtig", ist seine Antwort auf alles was ich sage. Doch in ihm ist etwas das verzweifelt schreit nach - nach was? Die Dornenhecke um dieses Schloß ist undurchdringlich er selbst ist unser Schlüssel, der Schlüssel der Tremere, sein eigener Schlüssel aber wo nur ist das Schloß.
Schließlich gibt sich der Prinz der Domäne die Ehre. Ich staune. Nicht mehr Dr. Steiner, sondern Francis Meadows, der Toreador, der Sgt. Kowalski in einem Ehrenduell besiegt und getötet hat und er wird nicht der letzte sein. Something rotten in the state of Innsbruck? Doch nein, er erklärt den Machtwechsel auf Zeit, wir wissen das sofort.
Er ist nur Vasallenfürst, während Dr. Steiner offenbar zu Höherem berufen ist und sich jetzt Prinz von Tirol nennt. Meadows ist also Vizeprinz. Ein Toreador, der an den Fäden eines Tremere tanzt, doch siehst Du nicht die Schere in der einen Hand der Puppe und das Holz in der anderen?. Ist Puppenspiel eine Kunst? Oder Puppe sein?
Malekin stellt uns alle der Reihe nach vor. Wie macht er das bloß: sogar der Name des neuen Brujah-Primogen kommt flüssig über seine Lippen. Hat er mit Karl May geübt?
Als die Reihe an Christopher kommt, geschieht gar nichts. Schweigen, niemand tritt vor. Suchende Blicke. Christopher steht hinter uns allen, und er rührt sich nicht. Langsam bildet sich eine Gasse zwischen den Kainiten, als würden wir ihn stumm bitten, um seines Lebens willen nach vorne zu treten und die Etikette zu wahren. Doch er steht da, bewegungslos, sein Gesicht drückt nichts aus, seine Haltung sagt 'Ich pfeife auf euch alle'. Er läßt uns noch einen Moment länger schmoren, bevor er die Gasse durchschreitet, vor dem Prinzen stehenbleibt und eine Verbeugung andeutet. Jedenfalls könnte man es mit viel gutem Willen so deuten. Der Prinz begrüßt ihn und die Spannung weicht aus der Situation wie Luft aus einem porös gewordenen Ballon.
Zuletzt stellt Malekin mich vor, und ich lasse Annas Hand nicht los, als ich vortrete. Wenn jemand fragt, werde ich nicht zögern zu erklären, daß sie ein Mensch ist. Und nicht zögern, sie zu verteidigen wir sind doch hier. Doch dazu kommt es nicht, denn Malekin geht mit Selbstverständlichkeit über die Vorstellung der Ghoule hinweg - das kann den Prinzen kaum interessieren. Ich sehe meine Erleichterung in Annas Gesicht widergespiegelt.
Sie lernt, so wie ich gelernt habe. Traumwandlerisch bewegt sie sich unter uns, wie ein Mensch durch einen Zoo schlendert, der noch nicht bemerkt hat, daß die Gitterstäbe verschwunden sind. Noch steht sie vor dem Raubtierkäfig und bewundert das hübsche Fell, die geschmeidigen Bewegungen. Was wird sie tun, wenn sie feststellt, daß die, die sie für den Dompteur mit Stuhl und Peitsche gehalten hat, selbst spitze Zähne und Klauen hat? Was wird sie tun, wenn sie selbst zum Raubtier wird? Trink mich, trink mich, wer aus mir trinkt, der wird ein... Sie lernt wie ich, und sie versteht genausowenig wie ich verstanden habe. Wie niemand verstehen kann, wie wir selbst kaum begreifen.
Aufnahme

Entlassung