Unter seinem triumphierenden Grinsen erinnere ich mich an die Zeit in der Sicherheitverwahrung. Paranoid-schizophrene Psychose. Gewalttätig. Dann ist mein Geist in seinem Geist und meine Stimme in seinem Geist und ich nehme seinen schlaffen Arm und ramme ihm seine eigenen Klauen ins Gesicht. Auge um Auge. Sagt die Bibel mit den Engeln. Zahn um Zahn. Engel mit den vier Gesichtern. Arm um Arm. Alle Engel sind tot. Rippe um Rippe. Er hat sie totgemacht. Gedärm um Gedärm. Er muß aufhören. Genick um Genick. Ich höre ihn auf. Herz um Herz.
Welch naive, süße Psychose. Damals war ich noch jung. Ich erhebe mich langsam und Teile eines verwesenden Körpers fallen zu Boden. War ich das etwa? Sein Herz ist noch in meiner Hand. Da war doch was?
Zorn steht vor dem Ghoul und rührt sich mühsam. Ach ja! Mein Befehl wird schwächer. Ich sollte mich wohl besser beeilen.

Der Ghoul blickt zu mir auf. Mich dürstet. Meine Blutzähne wollen ihren Hals. Aber das wär nicht recht, nein? Dann blickt sie an mir vorbei und sieht den anderen. Ich wende mich um und der Sabbath streckt seine Hand nach mir aus, während in seinem Rücken der Kampf tobt. Aber er ist so weit weg und hier gibt es nur Malekin und Mündlein.

'Malekin, Du bist es tatsächlich.' Eine seidige Stimme und eine lockende Hand. 'Es ist lange her.' Ein Blick über die Schulter, Malfeis blutet offen und ringt mit zwei Angreifern, zwei liegen darnieder. Seine Klinge webt weiter, doch die Fäden sind nicht mehr silbern, sondern rot. Wieder die Stimme: 'Hier habe ich etwas für Dich, was ich lange Zeit für Dich aufbewahrt habe, was ich Dir schon lange überreichen wollte.' Ein Buch liegt in seiner Hand, es ist klein, grün, der Einband scheint aus gepreßtem Grün zu bestehen. An seiner offenen langen Seite ist es durch zwei Buchschließen quer gesichert. 'Endlich...', Du hörst die Worte, siehst die Buchstaben auf dem Einband, '...wirst...', in einer krakeligen Schrift formen sie ein Wort, '...Du...', ein Wort, daß wir sind, '...Dein...' - MALEKIN. Matte Erinnerungen erwachen.

'Halt'. Das leise Wort zerdrückt den Raum, zerreißt den seidigen Kokon, in dem Mündlein uns verborgen hielt. Und für einen Moment stehen wir im Kreis. Malekin. Malfeis. Mündlein.

Der Ghoul blickt uns an und kichert leise. Ob wir wirklich komisch sind? Wir alle tragen schwarz. Wir alle sind bleich. Wir alle sind blutig. Schwarz. Weiß. Rot. Die Dorne sticht und Schneewittchen schläft.
Ewig dehnt sich dieser Augenblick, denn das Auge ist tot und der Lidschlag im Rigor mortis festgefroren. Als mein totes Auge blinzelt, haben sich die Ahnen ineinander verzahnt.
Beide treiben in einem Tanz der Vernichtung entgegen. Doch Malfeis ist mehr, als das Auge zeigt, nein? Ich schweige und schweigende Schatten umfassen Mündlein, der diesen Kampf nicht mehr gewinnen kann. Er gedenkt aber nicht, ihn zu verlieren.
Es ist vorbei. Der Ghoul atmet leise Luft, in der Staub von mürben Knochen schwebt. Das Buch ist in meiner Hand.

Malfeis übergibt mir die Obhut über diesen Ort. Blind blicke ich ihm nach, als sein Mantel der Mantel der Nacht wird. Was ist geschehen, frage ich mich und die Dementatio will nach mir greifen. Aber Katinka kommt mir zuvor und ihr gellender Schrei zerbricht den Spiegel.

Ich starre in das selige Gesicht des Ghouls, die leise murmelt: 'Coole Farben, aber warum hast Du einen Rüssel?'. Ein Lächeln, das dieser Abend gar nicht verdient hat.

Sonntag, 31.12.00
Das Tribunal.

Ich sollte berichten, lang und ausführlich. Genau. Über das, was ich mit Auspex in ihnen lesen kann. Aber ich kann es nicht. Es ist ein Nebel, der vor meinem Auge vorübertreibt, wie Tränen, die ich nicht fortblinzeln kann. Der Schmerz. Der Durst. Das Kind.

Die Alten sitzen zu Gericht. Richten über die Kinder, die aus dem Krieg kommen.
Nein. Keine Kinder. Kindred.
Sie sollen erzählen. Sie erzählen. Von Fehlern. Von Amaranth. Von rollenden Köpfen. Viele ergreifen das Wort. Manchmal kann ich mich konzentrieren, manchmal kann ich hinsehen.

Aufnahme

Entlassung