[Der Malkavianer erwacht. Er verbannt jede Erinnerung an die gestrige Nacht und läßt sich Zeit. Aus dem todesähnlichen Stadium der Tagstarre dringt er heraus und hinein in das matte Dösen der Dämmerung. Langsam verteilt sich das Blut wieder gleichmäßig in seinem Körper, die über Nacht angesammelten Leichenflecken verschwinden. Gedanken werden bewußt. In ungewisser Erwartung gibt er sich lächerlichen Ideen hin, um das eigentliche Nachtwerk hinauszuzögern.]

Freitag, 25.02.97

Ich erwache. Bin im Schlaf wieder verrutscht. Die Kette mit dem Abflußstöpsel hat sich wieder in meinen Rücken gebohrt. Irgendwann krieg' ich ein Nekroseproblem. Aber was soll ich sagen? Badewannen sind mit das Beste seit der Erfindung des Sarkophags. Obwohl man auch zwei oder drei Vorteile zu Tiefkühltruhen finden würde.
Mit geschlossenen Augen greife ich zum Wasserhahn und drehe auf. Heißes Wasser ergießt sich über meine Haut. Ich hänge meinen Gedanken nach, während sie durch den Hippocampus leuchten und genieße das Blitzen in meinem Kopf. Beizeiten Rant. Warum gibt es kein schönes Wort im Deutschen dafür? Rasen und Wüten. Eigentlich nicht schlecht, aber zu lang. Rant also.
Nach 20 Minuten schwappt die Wanne über und im Namen der Maskerade drehe ich das Wasser ab. Die Nachbarn unter mir haben was gegen nasse Tapeten. Ich tauche auf und öffne endlich die Augen. Ah! Das Wasser ist rot und ich bin durstig! Ein dumpfer Schmerz macht sich bemerkbar. Warum habe ich eine Nadel im Arm? Quid pro quo, natürlich! Ich muß auch alles übertreiben.
Die vergangene Nacht fällt mir ein. In groben Zügen zumindest. Viel von dieser Nacht ist in ihrem Geist geblieben. Selbst im Schlaf hat sie das Wergeld erhoben.
Ich hatte meine Finger in ihrem Kopf und liebkoste die Windungen ihres Cortex, soviel weiß ich noch. Wie weich und sanft und glatt! Wollte ihr meine Träume geben. Träumte die ihren. Verstand sie nicht. Was wir nicht verstehen macht uns Angst. Ich brauche keine Brücke und kein Seil für dieses Gefühl. In der letzten Nacht hatte ich ja sie.

Radio. Ist das eigentlich schon mal jemanden aufgefallen? Die Musik im Radio wird immer unerträglicher! Jetzt mal ganz ernsthaft:

Da reden sie immer von den aktuellsten Stücken und dann spielen sie die ein ganzes Jahr jeden Tag. Verdammt, das fällt sogar einem Metuselah auf! Wobei das wieder ein witziger Gedanke wäre...
Ich stelle den Kasten ab und wende mich ernsthaft schlechter Musik zu. Garbage. B-Seiten zum Beispiel. Oder die Grave Stompers. My home is my casket. Klingt besser als My home is my bathtub. Oh je.

Der Durst setzt sich zwischen meine Augen und schmerzt. Es ist 20.48 Uhr. Zeit, bei der Dunkelhaarigen im Haus um eine Tasse Milch zu bitten. Blut und Milch. Sie hat auch zwei Chinchillas. Wenn ich das richtig begriffen habe, verwöhnte Ratten. Exotischer Nachtisch.

[Zunehmend nervös schleicht der Vampir um seinen Arbeitsplatz. Bereitet alles vor. Zögerlich. Blickt oftmals in den Mond, der durch das Fenster scheint und sinniert über die alte Bezeichnung seiner Familie: Clan des Mondes. Es wird Zeit.]

Arbeit. Ich nehme ihr Blut aus dem Kühlschrank. Selbst kalt noch verführerisch und von der Dunklen konnte ich ja nur einen Schluck stehlen. Und die Ratten sahen schon so dämlich aus, daß mir der Appetit verging.
Ich schicke zwei Röhrchen als Differentialblutbild und Serologie ins Labor, aber ich kenne schon jetzt den Befund. Ich nehme das alte Lichtmikroskop. Zwei Objektträger kratzen schabend übereinander, als ich ihr Blut ausstreiche. Was, wenn sie septisch ist? Dann kann ich nicht von ihr trinken. Dann muß sie sterben und wird von den Würmern zerfressen. Ich verbanne das Bild und bete. Ich bin die Schwindsucht, nur ich.
Ich bin sorgfältig. Ich blicke in das Okular und lasse Auspex die Brechkraft ins Unermeßliche steigern. Ich zerbreche, was ich sehe. Und in den Fragmenten lese ich wie im Staub von Scherben. Dementiere in ihrem Blut. Werde hineingetrieben in die Erinnerung ihrer Blutkörper. Spüre ihr Serum über meine Haut gleiten. Feucht und warm. Werde hineingerissen in ihre Gefäße. Tobe mit Milliarden von Zellen durch ihre Adern, werde herumgewirbelt und von tausend Strömungen zerrissen. Zermalmt von ihrem Herzmuskel. Bade in ihrer Vita. Tauche in sie.
Sie ist nicht septisch.

Aufnahme

Entlassung