19.02.2005
Rat-tat-tat. Rat-tat-tat. Rat-tat-tat.
Der einzige Beweis, dass wir uns in der Dunkelheit voranbewegen, ist das
ewig gleichmäßige Rattern der Räder auf den Schienen.
Die Vorhänge zum Gang sind zugezogen, nur ein blasses Echo des Lichts
dringt vom dort in unser abgedunkeltes Abteil. Draußen vor dem Fenster
herrscht absolute Schwärze. Kein Stern, keine Straßenlaterne,
kein Licht in einem einsamen Fenster. Kein Mond.
Nur die Erinnerung an Schneeflocken, die vorbeiwirbeln, den schwachen
Schein der Notbeleuchtung an sich reißen und uns ein flüchtiges
Muster zeigen, und im selben Augenblick unwiederbringlich verlöschen.
Wir sind allein mit uns im Abteil. Allein mit den Erinnerungen an Malekin,
den wir an so vielen Orten gesucht und gefunden haben. So viele Eindrücke,
so viele Gesichter, viele Worte, noch viel mehr wortlose Gefühle.
Gefühle.
Fern.
Entfernt.
Erfüllt.
Unterwegs.
Wir sind, wo immer Malekin ist.
Wir sind, wo wir hingehören.
Wir sind fort.
Wir sind... auf dem
Weg zurück, dahin wo wir herkamen.
Aber um das Ziel zu kennen, müsste man wissen, wo der Kreis beginnt.
Und dann hätte er auch ein Ende. Was unmöglich wäre.
Rat-tat-tat. Rat-tat-tat.
Rat-tat-tat.
Wir schließen die Augen.
In uns wie um uns Schwärze.
Der Rhythmus der Räder ist unermüdlich, unergründlich,
unwiderstehlich. Wir lassen uns von dem gleichförmigen Muster erfassen
und davontragen.
Wie Kai vom Schlitten der Schneekönigin. Schnee. In München
schneit es.
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Wie Schneeflocken
im Scheinwerferlicht eines Autos streben sie alle in eine Richtung. Einem
Ort zu. Versammeln sich, obwohl sie so wenig gemeinsam haben, einander
nicht mehr gleichen als eine Flocke der nächsten. Einander nicht
mehr Wärme geben können als ein Eiskristall dem anderen. Und
doch kann eine Decke aus Schnee selbst Blumen vor dem Kältetod bewahren.
Ihre Gesichter tauchen vor uns in unserem Kopf auf und unser Herz
wird zu Eis.
Ihre Stimmen sprechen zu uns, von Vergangenheit. Vergangensein. Von Geschichte,
die sich wiederholt. Vom nie-mehr-Wiederkehren.
Sie erzählen von der Kühnheit, die es braucht, einen Wolf zu
überleben und seinen Kopf zu Füßen eines Prinzen zu legen.
Sie sprechen von der wortlosen, einstimmigen Wahl eines Neuankömmlings
zu unserem Primogen, der später unser Prinz werden sollte.
Von unserer Zerrissenheit im Angesicht des Feindes der Vernichtung, und
wie die Worte eines Giovanni zusammenbrachten, was nicht zusammengehörte,
und damit alles retteten.
Warum nicht heute wieder? Warum konntest Du uns nicht wie damals ein
Kettenhemd leihen, auf dass niemand unser Herz durchbohre...?
Sie erinnern uns an die grausamste aller Schlachten, an die gemeinsame
Angst und Verzweiflung, den gemeinsamen bitteren Sieg, an die Zwietracht,
die sofort danach ausbrach und uns alle einte.
Sie sprechen von der Macht des Sabbat selbst über die, die freiwillig
der Camarilla helfen, ohne dass sie dazugehören.
Sie erinnern uns an Malekins Arme, die einen Giovanni zu sich in die Schatten
zogen.
Sie erinnern uns an Malekins Blut, das über die Lippen eines Brujah
gelangte und ihn aus der Erstarrung in die Verzweiflung riss.
"Laß mich hier. Es hat ohnehin keinen Sinn. Wir sind verraten.
Wem sollen wir jetzt noch trauen? Kein Vampir kann einem anderen Vampir
trauen."
"Das ist nicht wahr. Nicht alle sind so. Wir können anderen
Vampiren trauen. Ich vertraue Malekin. Da draußen sind deine Freunde.
Sie vertrauen auf dich. Um ihretwillen musst du aufstehen. Dich retten.
Weiter kämpfen. Sie vertrauen dir."
Lüge! Verrat! Hör nicht auf uns. Vertraue nicht!
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