Ihre Schreie verebben und mit ihnen aller Wille in mir, mich zu wehren.
Was bedeutet mir ein Leben, zu dem sie nicht dazugehört?
Nichts. Und dennoch mache ich...
Nichts. Und deswegen fühle ich...
Nichts...

Man befreit die Gefangenen. Die Engelsstreiter sind tot. Es gab nicht mal derbe Verluste. Schon höre ich die ersten kleine Witze machen. Katinka lebt.
Wie glücklich sie darüber wäre, wenn mir etwas zugestoßen wäre bei dem Versuch sie zu befreien?
Tut nichts zur Sache. Ich habe sie verraten. Die anderen erkennen das bloß nicht.
Seit ich in ihr Unleben getreten bin (oder vielleicht doch sie in deins?), hat sich für sie alles zum Schlechteren gewendet. Ich bin kein schönes Geschenk.
Sie wird aus dem Raum geführt. Blut in ihrem Gesicht und ich glaube für eine Sekunde lang eine dreistellige Zahl darin lesen zu können.767. Sie murmelt immerzu.
Malekin. Ich bin Malekin. Ich bin Malekin.
(Du bist schuld. Mea Culpa. Durch meine Schuld, durch meine Schuld, durch meine große Schuld.)
Kann es nicht mit ansehen und laufe weg.
Kann nicht allein sein und kehre zurück.
Sie reagiert kaum auf mich. Zum ersten Mal bin ich an ihrer Seite und von ihr getrennt. Selbst als sie mein Leben bedrohte, war sie mir näher als jetzt.
(Natürlich, zu töten was man hasst ist viel zu leicht)
Hab nichts zu sagen. Halte ihre Hand und streichle ihr Haar und die Spinne verhöhnt mich.
"Ja tu nur so, als wäre sie dir wichtig. Jetzt da sie in Sicherheit ist, kannst du dich groß trauen."
Ich presse meine Lippen aufeinander und verbanne jeden Gedankengang... Meinen Kopf an den ihren sinken lassend.
Zuviel. Es ist zu viel. Zuviel für mich.

Später bringt mich Georg zum Auto und Katinka wohl nach Freising.
Dann kommt das Weinen.
Dann das Schreiben.
Als ob ich es mir von der Seele schreiben könnte.

Selbsterkenntnis IST die Hölle!
Alles verändert sich.
Noch kaum eine Woche vorbei, dachte ich. Ich wäre am Ende. Dachte ich, ich hätte nichts mehr, was mich halten würde. Noch vor einem Tag dachte ich, ich könnte mich wenigstens umbringen. Wenn ich es nicht mehr packe.
Und jetzt?
Jetzt befinde ich mich noch einige Etagen tiefer.
Katinkas Tod zu sehen war meine Hölle.
Meine Unfähigkeit, mein Leben für sie zu geben ist meine Hölle, vor der sich selbst die Teufel fürchten.
Man stelle sich vor:
Wie viel tiefer geht es noch?
Wann habe ich alle Tränen geweint?
Wann habe ich mir jede Frage gestellt?
Wann habe ich jede Furcht gefürchtet?
Wann habe ich ALLE Zweifel durchlebt???
Und bei allem was mir heilig ist... ich will das NICHT wissen.

Katinka sagt so gern. Ach hätte ich dich damals doch nicht angesprochen...
Was wäre dann? Wäre die Welt besser für sie? Für mich? War ich glücklicher? Lohnt es, darüber zu grübeln?
Auf meinem Schreibtisch liegt aufgeschlagen ein Buch von Marion Zimmer Bradley. Die Nebel von Avalon. Lese ich gerade darin??
"Die Zeiten sind für immer vorbei..." Steht da auf Seite 743 ganz oben.
Ich nicke leicht, nehme das Buch in die Hand und schlage es zu. Die Zeiten sind vorbei. Aber ich habe noch Zeit. Etwas Zeit hab ich noch. Anstatt im Selbstmitleid zu zerfließen sollte ich... tun. Irgendwas tun. Katinka um Verzeihung anflehen oder die Zeit zurückdrehen oder dem Wishmaster meine Seele anbieten. Es ist nicht alles Wahnsinn. Alles beginnt und alles endet, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort.
Noch mehr nichts tun macht's auch nicht besser.

Ich blättere das Buch beiläufig durch.
Es beginnt bei 777 und endet bei 0.

Aufnahme

Entlassung