Schönheitchirurg
und Psychiater. Wenn das mal keine vernünftige Kombination ist. Nur auf
der Durchreise in München, möchte sich eventuell in Starnberg niederlassen.
Als wenn Starnberg nicht zu München gehören würde. Das überraschende
an ihm ist aber sein Clan. Bei dem Outfit und der Berufswahl sollte man einen
Toreador oder Malkavianer vermuten. Doch er stellt sich als Ventrue vor.
Ventrue. Ist hier die Gelegenheit, Malekins Auftrag zu erfüllen? Ich betrachte
ihn eingehender. Gefärbtes Haar, mit viel Gel akribisch in Form gehalten.
Der Kittel (makellos sauber) lässig offen getragen, darunter scheinbar
legere Kleidung, deren teuren Preis nur das geübte Auge erkennen kann.
Beim Lächeln zieht er nur einen Mundwinkel hoch, und sparsam geht er nicht
um mit diesem überheblichen Lächeln. Er wirkt jovial und offen, doch
an seiner Art der Gesprächsführung ist zu erkennen, daß er nicht
über das Niveau von small talk hinausgehen wird, jedenfalls nicht, wenn
es um seine eigene Person geht.
Hat Josefa mein Interesse an ihm bemerkt? Oder eben gerade nicht? Sie entführt
uns den Doktor, um ihn Rainer Schmidt und John McGarfield vorzustellen. Krell
übernimmt die gleiche Pflicht für seine Begleitung und stellt ihr
die Anwesenden aus der Ferne vor. Was er sagt ist noch überraschender als
der Clan des Doktors: McGarfield ist Assamit! Deswegen war Malekin so mißtrauisch.
Assamit! Nur in München, um einen Auftrag zu erfüllen. Und nur noch
hier, weil er einen neuen Auftrag erhalten hat. Was für einen Auftrag?
Wäre es nicht essentiell zu wissen, wer Ziel dieses Auftrags ist? Krell
beschwichtigt mich. Assamiten nehmen auch andere Aufträge an, z.B. Personenschutz,
oder jemanden finden. Und als Ventrue hat er sich nur ausgegeben, weil der ehemalige
Prinz das so wollte.
Ich fühle mich nicht besonders beruhigt. Aber wenn allgemein bekannt ist,
daß er Assamit ist, dann werden die Münchner Vampire schon wissen,
was sie tun, wenn sie ihm erlauben, hier zu bleiben.
War das jetzt ein dummer Satz? Verzeih, liebes Tagebuch.
Die Innsbrucker Gäste treffen nach und nach ein. Als erstes der Prinz,
Dr. Steiner. Dann einige Vampire, die ich schon gesehen habe, aber deren Namen
mir nicht mehr einfallen. Einige Gangrel - Björg Bondhagen, der Sherrif
Tantalos - einige Brujah, der Warlord und die Geißel, Noctus de Sorbonne,
der Ravnos, der letztes Mal so schön gesungen hat, und weitere, die ich
nicht kenne.
Schließlich
mit gebührender vornehmer Verspätung Agatha von Hohenbühl, wie
immer in diesem sündhaft ausgeschnittenen Kleid. Wenn man Papierrosen nicht
gerade verbrennt, bleiben sie viel länger schön als echte Rosen. Die
niedliche kleine Tänzerin aus Papier hielt sich noch immer auf dem einen
Bein und hatte das andere hoch in der Luft, sie war auch standhaft. Man könnte
zinnerne Tränen der Rührung darüber weinen, doch das wäre
gewiß nicht schicklich.
Ferdl gesellt sich zu uns, die Geißel von Innsbruck. Er berichtet von
der Situation in seiner Domäne, daß in letzter Zeit alles sehr stabil
und friedlich war, und nennt im gleichen Atemzug die unglaubliche Zahl von 300
Werwölfen, die sich in der Umgebung der Stadt aufhalten sollen. Wie kann
er da von sicher und stabil sprechen? Das einzige, was die Werwölfe offenbar
von einem Angriff abhält, ist daß sie untereinander völlig zerstritten
sind. Kommt mir das bekannt vor?
Nachdem er uns verläßt, um mit dem Warlord (was auch immer dieser
Titel zu bedeuten hat?) zu sprechen, frage ich vorsichtig in die Runde, ob es
an diesem Abend auch einen offiziellen Teil geben wird. Krell wehrt ab, er will
mit Politik offenbar nichts mehr zu schaffen haben. Schade, bin ich versucht
zu sagen, doch Kessler spricht vor mir aus, was ich denke. Aber Krell ist nicht
von seiner Meinung abzubringen, daß es besser für die Domäne
München sei, wenn er sie nicht in einem offiziellen Amt vertritt.
In diesem Moment beginnt der Vertreter unserer Domäne für diesen Abend,
die Gäste offiziell zu begrüßen. Es war mir schon fast peinlich,
daß wir im Vergleich zu den Österreichern so unzeremoniell vorgehen.
Sie müssen sich ja unwillkommen fühlen.
Doch Christopher holt alles nach und stellt jeden einzelnen Gast vor. Und jeden
einzelnen falsch. Schon bei Dr. Steiner verspricht er sich. Wie peinlich, ausgerechnet
den Prinzen so holperig vorzustellen. Doch es kommt noch schlimmer. Aus Ferdl
wird Feindl (Freud läßt grüßen), aus Mikael Michail, und
die Innsbrucker Toreador-Primogena macht er gar zur Harpye von München!
Wer hat seine Zunge verhext? Malfeis starrt ihn nur ausdruckslos an. Bei so
einem Blick muß es einem ja die Sprache verschlagen.