Herr Dittmann unterbricht uns und redet auf Malekin ein. Kennen die beiden sich? Was will er von ihm? Malekin folgt ihm wieder nach drinnen, und ich beeile mich, Josefa zu folgen, um zu erfahren, was ich mir ausrichten will.
Es dauert eine Weile, bevor Herr Dittmann wieder von Malekin abläßt. Und es ist höchste Zeit. Der Abt hat keine Geduld mit Leuten, die viel reden. Ich kann die Anspannung spüren, die es Malekin kostet, sich ihn zu beherrschen. Und den Zorn, der in ihm wächst wie eine Flutwelle. Was immer Josefa zu sagen hat, es sollte besser wichtig sein.
Pedo mellon a minno, sagt sie. Das sind die Worte, die ich ihr in einem Traum gesagt habe. Ich wiederhole sie und alle Nackenhaare stellen sich mir auf. Obwohl ich mich nicht erinnere, sie je ausgesprochen zu haben, erinnere ich mich an diese Worte.
Pedo mellon a minno, wiederholt auch Malekin die Worte, mit dem Blick eines Hungrigen, der Nahrung sucht und nur ein Kochbuch findet. Wenn wir nicht schnell herausfinden, was Josefas Worte bedeuten, wird er den Zorn des Abtes nicht mehr beherrschen können.
Ich kenne diese Worte. Wenn ich mich nur erinnern könnte, woher. Pedo mellon... Mellon. Das ist das wichtigste Wort in dem Satz. Warum? Ich schließe die Augen und spreche es noch einmal aus, lasse den Klang in meinem Geist widerhallen und folge seinem Echo. Es ist eine Geschichte. Ein Märchen. Das Märchen aller Märchen. Es ist fast greifbar...
Was bedeutet das?, unterbricht Josefa meine Gedanken. Sie und Thomas mustern uns aufmerksam. Sehen sie die drohende Explosion? Ziehen sie sich deshalb so bereitwillig zurück, als sie zum Prinzen gerufen werden?
Malekin verschwindet nach draußen. Bitte, laßt ihn gehen, sprecht ihn nicht an, hütet euch!
Ich will ihm folgen, doch diese Worte halten mich gefangen, umkreisen mich wie Krähen, verwirren mich... Pedo mellon a minno. Mellon. Ein Märchen. Ein großes Märchen. Warum kann ich mich nicht erinnern welches?
Lady Thorndyke reißt mich aus meinen Gedanken. Sie fragt besorgt nach Malekin.
Es geht ihm gut.
Ich schüttle verwundert den Kopf. Es ist alles in Ordnung mit ihm. Sie wirft einen skeptischen Blick über meine Schulter.
Ihre Selbstbeherrschung ist wirklich bemerkenswert.
Oh, sie meinen das Mineralwasser. Ja, es ist schon sehr gewöhnungsbedürftig, aber mit etwas Übung...
Ich meinte nicht das Wasser, sagt sie, und deutet über meine Schulter auf Malekin, der seine Fingernägel in die Wand bohrt und blutige Kratzer hinterläßt. Stimmt damit etwas nicht? Warum benimmt sich denn heute jeder nur so merkwürdig? Vielleicht sollte ich Malekin fragen?
Doch das geht nicht, er ist kaum ansprechbar. Geht es ihm nicht gut? Hat das etwas mit Josefas seltsamer Botschaft zu tun? Wir sollten noch einmal mit ihr sprechen. Wie gut, daß sie und Thomas gerade wieder heruntergekommen sind. Seit wann sind die beiden eigentlich so eng befreundet, daß sie die ganze Zeit zusammenhängen?
Wir sprechen die beiden noch einmal auf die Botschaft an und sie erzählen von einem Traum - einem gemeinsamen Traum? - in dem sie den Abt getroffen haben und er hat von den bösen Dingen gesprochen und ich habe ihnen diese Worte gesagt und um Himmels willen ich muß herausfinden was sie bedeuten sonst wird es uns allen schlecht ergehen. Ich wiederhole sie wie eine Beschwörungsformel und versuche, nicht in Malekins Gesicht zu sehen. Mein Blick fällt auf das Buch, das er immer noch in seiner Hand hält. Verschlossen. Direkt vor uns und doch unerreichbar. Pedo mellon a minno. Wir müssen es öffnen. Egal wie schrecklich das, was darin ist, auch sein mag. Pedo mellon a minno. Wir müssen es öffnen und hindurch. Mellon. Freund. Sprich Freund und tritt ein. Die Tore von Moria.
Pedo mellon a mino. Sprich Freund und tritt ein! Es ist ein Schlüssel! Es ist der Schlüssel zu dem Buch! Verstehst Du, Malekin? Sprich Freund und tritt ein. Wir können es öffnen!
Alle Geräusche im Raum verstummen schlagartig. Alles um uns herum weicht von uns zurück. Josefas besorgte Fragen, Thomas' beruhigende Worte dringen nicht mehr zu uns durch. Wir sind von den anderen isoliert. Doch nicht allein. Die Krähen. Sie sind aufgewacht. Sie kommen. Ich kann ihr Krächzen hören, ihren Flügelschlag. Und ich kann in Malekins Augen erkennen, daß er sie sehen kann.
Sie kommen. Alle. Sogar der Schläfer regt sich. Sie kommen zu uns.
Aufnahme

Entlassung