Samstag,
05.Mai 2001
Infernal Desire. Zum zweiten Mal. Der selbe Ort. Auf dem Weg hierher die
selben Zeichen wie beim letzten Mal. Die selben Bedingungen. Ein Kainit,
ein Spielzeug.
Und doch ist alles anders.
Wieviel hat sich seit dem letzten Mal verändert! Wie wenig. Ich bin
immer noch tot. Immer noch Vampir. Bin ich immer noch Malekin? Bin ich schon
Malekin?
Eines hat sich nicht geändert. Für mich ist dieser Abend wie der
letzte: keine Party, ich bin nicht hier, um mich zu vergnügen. Ich
bin wieder hier um zu lernen.
Und noch etwas hat
sich nicht verändert, in den ganzen letzten vier Jahren nicht: ich
habe keine Kontrolle über das, was mit mir geschieht. Mein Leben
- oder mittlerweile mein Unleben - macht mit mir, was ihm gerade einfällt.
Oder ich selbst? Unnötig zu schreiben, daß der Sinn dahinter
nur sehr schwer zu erkennen ist.
Ich möchte immer noch am liebsten vor Scham im Boden versinken, wenn
ich an die Einladung der Brujah denke. Oder hysterisch lachen. Oder...
vergnügt? War da ein Teil von mir, dem es unheimlich Spaß gemacht
hat, mir selbst und allen anderen einen Streich zu spielen und die Ventrue
zu mimen? Wie konnte ich nur etwas so peinliches tun?
Und alle sind darauf eingegangen. Mit etwas Anstrengung ließe sich
daraus sicher einen schöne Paranoia machen: die ganze Welt hat sich
verschworen, um mir vorzumachen, daß ich bin, was ich nicht bin.
Und doch... es ist ihnen nicht gelungen. Ich bin mir nicht sicher, ob
ich das dem Malkavianer aus Innsbruck verdanke, diesem wandelnden Tagebuch,
dessen Faszination ich mich nicht einmal als arrogante Ventrue entziehen
konnte. Wie schade, daß wir nur so wenig Zeit hatten, uns kennenzulernen.
Wie auch immer. Sie ist fort. Für immer. Und ich bin schuld. Werde
immer schuldig sein.
Kontrolle. Ich habe die Kontrolle verloren, zuerst über mein Handeln,
dann über das, was ich bin. Werde ich mich selbst verlieren, wenn
ich so weitermache? Werde ich Malekin verlieren? Ich werde es nicht darauf
ankommen lassen. Dieser Abend ist eine ebenso abwegige wie lehrreiche
Gelegenheit, um Kontrolle zu üben.
Gerade weil Malekin nicht da ist, um mir zu helfen. Er kommt später
nach. Um zu sehen, ob ich mich bewährt habe?
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Mein menschliches
'Spielzeug' - ich hasse diesen Ausdruck - sei schon da, wird mir am Eingang
gesagt. Ein Ghoul der Malekins. Mehr weiß ich nicht über ihn.
Wie werde ich ihn erkennen? Ob er unter all den Vampiren überhaupt
noch am Leben ist?
Die Stimmung ist seltsam gedämpft im Vergleich zum letzten Mal, als
bräuchten die Gäste Zeit, sich daran zu gewöhnen, daß
es hier keine Regeln gibt, an die sie sich halten müssen. Fast wirkt
es wie eine normale Party. Wenn nicht die Dekoration wäre, die Bilder
an der Wand mit den gequält-glücklich aussehenden Menschen in
Fesseln und Masken und Folterwerkzeugen. Und natürlich das Outfit
der Gäste. In Lack, Leder, Fell und Spitze fällt man hier nicht
besonders auf. Trotzdem komme ich mir in meinem enganliegenden Kleid ziemlich
nackt vor. Malfeis hat sich bei der Auswahl der Garderobe wieder selbst
übertroffen.
Malfeis. Er steht
mit ein paar anderen oben an der Treppe. Die Vampire, die um ihn herumstehen,
wirken nicht besonders glücklich. Kein Wunder: Malfeis schluckt smalltalk
wie ein schwarzes Loch das Licht.
Lady Thorndyke ist auch hier, sowie einige andere Kainiten, die ich nicht
kenne. Inklusive Spielzeug. Sie stehen oben auf der Galerie, dem besten
Aussichtspunkt, und überblicken die Szene. Düstere Dekorationen.
Bilder von Frauen und Männern in Posen, die zu schmerzlich scheinen,
um lange hinzusehen. Überdreht lachende Brujah-Trupps. Gothic-gestylte
Toreador mit geübt gelangweiltem Gesichtsausdruck. Wilder Übermut
in den Augen vereinzelter Gangrel. Kontrolliert-wahnsinniges Verlangen
im Blick der Mitglieder meines eigenen Clans. Menschen, bleich, aber euphorisch,
in nicht viel mehr als ein paar Fesseln gekleidet, lächeln ihren
'Herren' selig ins Gesicht, als hätten sie von ihnen etwas anderes
zu erwarten als den Tod. Wie viele von ihnen wünschen sich wirklich
zu sterben? Wie viele von ihnen sind hier, weil man sie glauben gemacht
hat, dies hier sei nichts weiter als eine besonders abgefahrene Party?
Unter welchen Voraussetzungen ist meine Begleitung heute hier?
Ich gehe zu Malfeis, bedanke mich für die erneute Einladung, und
entschuldige Malekins spätes Eintreffen. Unterhalte mich mit Lady
Thorndyke - sie führt ihr Spielzeug an einer Kette um den Hals -
und bemühe mich, meine Blicke nicht schweifen zu lassen, während
sie spricht. Curiosity...
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