Die Blase zerplatzt. Zurück in der Realität. Gegenwart. Wahnsinn. Was auch immer.
Die Musik ist wieder da, die düsteren Dekorationen treten wieder in den Vordergrund, Gestalten treiben an mir vorbei, ständig auf der Suche, ein Verlangen zu stillen, das sie bis in die tiefste Hölle verfolgen wird. Ich beobachte sie, und es ist, als könnte ich plötzlich hinter ihre Verkleidung sehen. Oder vielmehr, als verstünde ich sie plötzlich. Lack und Leder, Ketten und Fesseln, scheinbar nichts weiter als das passende Outfit für diesen Abend, sind in Wirklichkeit viel mehr. Eine Jahrhunderte alte Tradition. Unsere zweite Haut. Das was wir sind.
Let's play Master and Servant.
Beherrschend, überlegen, grausam, wenn es uns beliebt.
Ich sehe in Gabors Augen, dass auch Malekin nicht anders ist. Wir sind seine Herren, und das ist die natürliche Ordnung der Dinge.
Jedenfalls war es das vor hunderten von Jahren, als er zu dem geworden ist, was er jetzt ist.
Aber das heißt nicht, dass es mir gefallen muss. Das heißt nicht, dass ich es richtig finden muss. Dass ich mich ebenso verhalten muss. Nein?

Einer der Ghoule von Lady Thorndyke geht vorbei und grüßt uns. Ich entdecke etwas in Gabors Blick, das mich sehr an Malekin erinnert, und einem Impuls folgend, lade ich sie ein, sich zu uns zu setzen. Und tatsächlich: er beginnt ein Spiel zu spielen, das Malekin immer wieder gerne spielt. Es heißt Ghoul-Ausspannen. Ich steige ein, und bald ist unser armes Opfer arg aus dem Konzept gebracht. Misstrauisch schaut sie zwischen uns hin und her, wie wir uns gegenseitig die Bälle zuspielen, und ist sich nicht mehr sicher, ob sie nicht lieber davonlaufen sollte. Dabei meinen wir es nur gut. Schließlich ist diese eine Entscheidung für die Ewigkeit, und das sollte gut überlegt sein. Nicht, dass sie tatsächlich eine Wahl hätte.Aber mit der Illusion, eine Wahl gehabt zu haben, lebt es sich vielleicht später besser. Sie verlässt uns, scheinbar verunsichert, aber tatsächlich zumindest in einem bestärkt: dass Malkavianer nichts für sie sind. Ich muss lachen, doch Gabors Blick lässt mich schnell wieder ernst werden.
"Ich habe meinen Teil der Abmachung erfüllt. Erfülle du jetzt deinen."
Kann ich nicht noch drei Nächte Aufschub haben? Meine Soldaten ausschicken, auf dass sie deinen Namen in Erfahrung bringen, und mich von meiner Pflicht entbinden?

  Ich kann ihn doch nicht einfach töten lassen? Ich weiss, ich habe es versprochen, und Malekin will es so, doch es fühlt sich so falsch an.
Ich will es nicht. Ich kann es nicht.
"Du hast es versprochen."
Ich kann es nicht. Ich will es nicht.
Ich weiss, dass ich es ihm schuldig bin. Dass ich es nicht gutheiße, heißt nicht, dass ich es nicht trotzdem tun muss. Ich beiße die Zähne zusammen und verlasse den Tisch, um ihm seinen Henker zu suchen.
Doch das gestaltet sich unerwartet schwierig. Lady Thorndyke ist nicht interessiert. Sie hat ihre eigenen Spielzeuge dabei, und ein Malkavianerghoul... Sie gibt mir eine charmante, aber unmissverständliche Abfuhr. Ich wende mich an den Kainiten, mit dem sie sich gerade unterhalten hat, doch der winkt nur ab. Ich versuche ihm begreiflich zu machen, was Gabors Angebot bedeutet. Viel mehr als nur ein psychedelischer Nachtisch. Sein Blut ist praktisch Malekins. Und höchstwahrscheinlich das eines sehr alten Malekins. Was für eine Offenbarung muss es sein, von ihm zu trinken! Die Erkenntnis, die man dadurch gewinnen könnte, die Einsichten, das Wissen, die Erfahrung... Ich muss mich selbst bremsen. Der Kainit, mit dem ich spreche, hat längst das Interesse verloren. Aber ich nicht. Ich weiß, dass ich jedes Wort so gemeint habe, wie ich es gesagt habe. Es ist Malekins Blut, das in Gabors Adern fließt. Das ist es, warum ich mich von Anfang an so zu ihm hingezogen gefühlt habe. Das ist es, was ich will.
Fühlt sich der Gedanke, dass ihn jemand anderes töten könnte, nur deshalb so falsch an?
Aber auch, wenn ich mir vorstelle, es selbst zu tun - von Seinem Blut zu kosten! - sträubt sich alles in mir dagegen, mein Abmachung einzuhalten.
Ich kehre zu ihm zurück, denn hier ist niemand mehr, den ich fragen könnte, und wir ziehen um auf die große Treppe. Von dort aus beobachten wir eine Weile, wie die Party ausgelassener wird, Menschen wie Vampire sich immer mehr gehen lassen, eine Regel nach der anderen - Maskerade und das, was man wohl Anstand und gute Sitten nennt - strauchelt und fällt oder voller Entsetzen den Raum verlässt.
Jemand hat eine Frau an das Treppengeländer gefesselt. Leicht vornübergebeugt steht sie, hilflos, ohne Bewegungsspielraum, ihr Gesicht eine Mischung aus Erwartung, Furcht und Entzücken.
Entlassung
Aufnahme