Der
Neuling wird dazu gezwungen, niederzuknien, den Kopf zu heben und das Jesusbild
hinter dem Altar anzublicken. Sie
wollen ihn ausfragen. Wollen Namen von ihm hören, auf dass er sein Gewissen
erleichtere. Wollen, dass er die anderen verderbten Kreaturen verrät, um
sein Seelenheil zu retten. Was für eine schöne Art von Glauben. Er
weigert sich. Der Priester taucht seine Hand in eine Schale und besprengt den
Vampir mit einer Flüssigkeit. Er schreit auf, und ich kann den Rauch sehen
und seine verbrannte Haut riechen. Weihwasser? Ich kann es nicht glauben. Und
doch... dieses Gefühl, wenn einer der Priester in meine Nähe kommt,
diese lähmende Angst, und das entsetzliche Licht... Kann uns Glaube, tiefer,
aufrichtiger, fanatischer Glaube an etwas Göttliches wirklich schaden?
Der Vampir schreit wieder auf, und einer der Priester hebt die Hand, um seine
Mitstreiter zurückzuhalten.
"Er hat bereits gestanden. Er hat uns die Namen der anderen verraten. Sein
Gewissen ist so erleichtert, wie es nur sein kann."
"Glaubt ihnen kein Wort!" verteidigt sich der Neuling uns gegenüber.
Als würde er hoffen, hier heil rauszukommen. Was immer er ihnen verraten
haben mag, ich bin in diesem Moment geneigt, es ihm zu verzeihen. Denn einer
der Fanatiker geht zu seiner Glaubensschwester und reicht ihr ein Schwert.
"Geh hin und verrichte Gottes Werk."
Nein, das kann er nicht tun. Sie sieht so jung aus, so unverdorben. Zwinge sie
nicht zu töten.
Doch sie fragt: "Womit habe ich diese Ehre verdient?"
Ehre? Weißt du nicht, wie es sich anfühlt, ein Leben zu beenden,
und sei es nur ein unwürdiges, sonnenloses Unleben? Wie kannst du von Ehre
sprechen?
"Du hast lange genug tapfer an unserer Seite gekämpft. Du hast es
dir verdient."
Verdient? Was für Leute sind das? Wir sind verloren.
Die Frau tritt auf den Vampir zu, der benommen und unfähig sich zu rühren
vor dem Altar steht. Ich sehe das Zögern, als sie das Schwert hebt, nicht
in ihrem Gesicht, aber in ihren Bewegungen. Kann den Blick nicht abwenden, als
sie ihm beinahe bedächtig den Kopf abschlägt. Kann das Bild von ihrem
Gesichtsausdruck nicht ausschließen, wie fest ich die Augen auch zukneife,
ich sehe ihr zufriedenes, blutbespritzes, rechtschaffenes Gesicht. Wir sind
verloren.
Ich
bedecke das Gesicht mit den Händen, höre das schabende Geräusch,
als sie ihn nach draussen schleifen. Ist das das Ende? Ich kann so nicht sterben.
Nicht jetzt. Nicht in dieser Situation. Nicht ohne Malekin noch einmal zu sehen.
Und doch... Ist das die Lösung? Ist das der Weg, den ich finden kann, bevor
er einen findet? Malekin.
"Und, war es das wert?", fragt Gregor. "War es das wert, einen
Menschen zu beschützen? Du hast Dich für Anna geopfert!"
Habe ich? Hätte ich ihnen entkommen können, wenn ich nicht versucht
hätte, Anna zu decken? Aber sie konnten mich sehen. Mich. Sehen.
"Jeder einzelne Mensch wäre es wert gewesen." Und Anna ganz besonders.
Ich bringe nicht mehr als ein Flüstern über die Lippen. Aber ich habe
ohnehin nicht die Hoffnung, ihn zu überzeugen. Habe ich irgendeine Hoffnung?
Die Priester schleichen um uns herum, als würden sie darauf lauern, dass
einer von uns sich eine Blöße gibt, ihnen einen Anlass liefert, uns
zu vernichten. Dabei geben sie sich selbst den Anschein, als wären sie
um uns besorgt.
Der, den sie Pater Antonius nennen, erklärt uns den Unterschied zwischen
gewöhnlichen Sündern, die Reue zeigen, Busse tun und dadurch Vergebung
erlangen können, und uns. Unsere bloße Existenz ist eine Sünde.
Auch wir müssen Reue zeigen und Buße tun. Und aufhören zu sündigen.
Zu existieren.
"Jeder gute Mensch hat einen Schutzengel. Jeder von uns ist einem Engel
geweiht. Ihr aber habt euch Dämonen geweiht, und stärkt durch eure
Sünden Satan. Um eure Seelen zu retten, müsst ihr eure Sünden
bereuen und euch einem Engel weihen. Danach werdet ihr von eurer Existenz befreit."
Sich einem Engel weihen und dann sterben? Aber... das habe ich doch schon getan.
Malekin ist mein Engel, und ich bin seine Königin. Was soll mir geschehen,
solange mein Engel über mich wacht? Ich flüstere seinen Namen und
die Furcht weicht angewidert fauchend vor mir zurück.
"Bringt den Gefangenen aus dem Keller. Sie sollen sehen, was meine Worte
bedeuten."
Zwei der Kreuzritter verlassen den Raum. Ich blicke zu Herrn Calloway, der etwas
ramponiert aussieht. Kein Wunder, er hat schon zweimal versucht, einen der patroullierenden
Glaubenskrieger zu sich zu locken und so zu entkommen.