Tessa würde sicherlich um ihn trauern. Ich sehe ähnliche Reaktionen auf den Gesichtern mancher Gangrel.

Malekins Erinnerungen regen sich in meinem Geist. Unsere Gangrel-Weggefährten auf mancher Reise. Urteile nicht zu schnell, nur weil sie trauern - zornig sind - heißt das nicht, daß die Lycantrophos sie nicht vernichten würden. Nur eben als letzte unserer Rasse. Und, wenn ich diesen ketzerischen Gedanken wagen darf, welcher Gangrel dürstete nicht schon einmal nach ihrem Wolfsblut? Oder gab gar der Versuchung nach?

Man diskutiert, die Bedrohlichkeit der Situation ist verflogen, jetzt ist es wieder die Politik, die das Geschehen des Abends beherrscht. Das ist die Gelegenheit, uns bei den Münchnern vorzustellen. Bis jetzt haben wir niemand gefunden, der dazu bereit oder in der Lage gewesen wäre. Obwohl ich der Meinung bin, daß Conceptione, die Innsbrucker Harpye, das sicherlich für uns getan hätte. Er ist für die Kontrolle der Einhaltung der Etikette zuständig, aber er erfüllt seine Aufgabe auf so charmante, unaufdringliche Art, daß die vielen zu beachtenden Traditionen den Abend nicht wirklich beeinträchtigen. Egal, ich finde es sowieso besser, wenn wir uns direkt vorstellen. Malekin spricht Christopher an, stellt uns vor, und bittet gleich darum, daß wir nach München zurückkehren dürfen.
Ich würde die Luft anhalten, wenn ich noch atmen müßte. D.h. eigentlich muß ich ja atmen, selbst wenn hier nur Vampire anwesend sind, nur um die Gewohnheit beizubehalten. Nur daß ich nicht mehr das Bedürfnis danach habe, deswegen macht Luft anhalten keinen Sinn.

Eine liebe alte Gewohnheit. Behalte sie nur bei, Malekin!

Ich habe auch gar nicht lange Zeit dazu, denn Christopher sagt, er habe nichts dagegen, wenn wir nach München kommen. So einfach ist das? Natürlich brauchen wir die Erlaubnis des Prinzen, also ist diese Aufenthaltsgenehmigung nur vorläufig. Aber er sagt ja. Wir dürfen wieder nach München! Natürlich ist Christopher nicht ohne Hintergedanken so nett zu uns. Malekin hat ihm gesagt, daß wir vor der Sabbatübernahme in München waren, und jetzt ködert er ihn auch noch mit der verschwundenen Tremere-Bibliothek. Nicht, daß wir wirklich etwas darüber wüßten, außer daß es dort offenbar ein Fragment des Buches Nod gibt, das wir haben wollen. Aber das müssen wir ja noch nicht gleich verraten.

Köder und Haken, Käse und Falle, quid pro quo. Es funktioniert und der Tremere ist interessiert genug. Das reicht für den Moment. Und es sein angemerkt: Malekin kann nicht wissen, was Malekin weiß, nein?

Ich habe plötzlich das unangenehme Gefühl, daß mich jemand beobachtet. Achte immer auf deinen Rücken. Oder sorge dafür, daß jemand anderes das für dich tut. Hinter mir ist niemand. Aber hinter Malekin. Besser aufpassen! Dummes Kind! Ich richte meine Aufmerksamkeit auf die Frau, die dort steht und sich genussvoll das lange Haar kämmt. Sergej, der Malkavianer mit dem blutverschmierten Gesicht, ist ebenfalls auf sie aufmerksam geworden, und genauso wie mich fasziniert ihn offenbar das Feuer, das hinter ihren Augen flackert.

Sergej. Ich erinnere mich. Wir standen da, Auge in Auge, verwoben in unseren Wahrsinn. Ich weiß nichts über ihn, aber eines vermute ich: Wir sind nicht die ersten Malekins, denen er begegnet. Vielleicht sehe ich ihn wieder in einer fernen Nacht?

Diese Art von Wahnsinn ist uns fremd. Er spricht sie an, unverhohlen neugierig fragt er sie nach ihrem Clan. Und ebenso unverhohlen stolz antwortet sie. Assamit. Lächelnd hebt sie ihre Bürste, dreht sie um und zieht eine kleine Spitze aus dem Griff - eine vergiftete Klinge? Sergej zieht sich zurück, ohne ihr den Rücken zuzukehren. Warum sind Assamiten hier zugelassen? Soweit ich weiß, sind sie gedungene Mörder, und sollen einst das Blut ihrer Opfer getrunken haben - ist Diablerie in Innsbruck hoffähig? Langsam kommt mir dieses Fest etwas spanisch vor.

Siehst Du, wie Du die Muster erkennst, ohne es zu erkennen? Die Assamiten kamen nicht nur aus dem Türkenland, schlichen nicht nur durch Siebenbürgen und über die Zarundului.
Nein, viele von ihnen kamen mit den Mohren nach Spanien, damals, in der hohen Zeit der Berberkriege! Ich erinnere mich. Az-Zarah, die Schöne, war sie nicht von ihrem Blute? Und waren ihre Klingen nicht wie Quecksilber - war ihr Blut nicht wie Quecksilber, wenn sie es wünschte? Ja, Malekin erinnert sich an die warmen Nächte in der Medina von Cordoba und an den Gesang des Ziryah! Welche Wunder wir damals sahen! Spanisch, nicht wahr?

Aufnahme

Entlassung