Ist
es das, flüstert eine Stimme in meinem Kopf. Ist es nicht besser, sie vergessen
zu lassen und sie dazu zu bringen, schneller zu laufen als der Wind, weit, weit
fort von uns? Aber ich sehe sie an und sehe mich selbst, und weiß, daß
es nicht so ist.
Thomas kommt wieder, und sein Gesichtsausdruck sagt Ärger, während
er kurz mit Malekin spricht. Doch als er sich an unseren Tisch setzt, lächelt
er, und endlich kommen wir dazu, uns zu unterhalten.
Auf meine Frage hin erzählt er von Antonio. Von der Hypnose, die Josefa
versucht hat, und daß dabei etwas schiefging. Von der Hilflosigkeit, mit
der er zusehen muß, was Antonio tut. Ich könnte ihm von Malekin berichten,
doch statt dessen spreche ich davon, wie es war, Ventrue zu sein, denn das scheint
mir seinen Erfahrungen ähnlicher. Oder nur sicherer. Ich will nicht hören,
wie er berichtet, daß er nach dem Mordanschlag eine vierköpfige Familie
vernichtet hat.
Ist es denn unser Schicksal zu töten? Können wir dem nicht entgehen?
Sind wir so verloren?
Ich will, daß er diese Frage verneint, oder wenigstens etwas sagt wie
hoffentlich nicht, aber bevor er irgendetwas sagen kann, wird er uns schon wieder
geschäftlich entführt. So bleibt die Frage im Raum hängen wie
ein offener Akkord.
'Hörst du sie auch?' fragt Christopher, der unbemerkt zu uns getreten ist.
'Ja', antworte ich automatisch. Ich weiß nicht, was du hörst, aber
auch ich höre Dinge, die nicht da sind. Sie sind nicht immer schön,
und selten verstehe ich, was sie mir sagen wollen. Es sind nicht die Stimmen
hinter der Mauer, die dich schon immer mit ihrer Qual erfüllt haben, nicht
die Klang gewordene Verzweiflung, die droht sich ihren Weg durch Jahrzehnte
altes Mauerwerk zu brechen. Aber 'ja, ich höre sie auch.'
'Ich würde gerne wieder die Sonne sehen', sagt Christopher im Plauderton.
'Vielleicht wäre dann endlich Ruhe. Endlich Frieden...'
'Haben wir Frieden, wenn wir endgültig sterben? Gibt es für uns kein
Leben nach dem Tod? Kein Fegefeuer?'
'Ich weiß es nicht. Aber irgendwann werde ich es ausprobieren.'
Ich muß an unseren ersten Besuch in Innsbruck denken. Christopher, Krell
und Kantner vertraten die Domäne München. Es war mir damals nicht
bewußt, aber sie waren eine so völlig andere Art von Kainiten als
alle, die ich bisher - und seither - kennengelernt hatte...
Sie gaben mir Hoffnung,
daß wir vielleicht nicht alle Ungeheuer sein müssen.
Krell hat München
verlassen, vielleicht gibt es ihn längst nicht mehr. Kantner ist noch
hier, aber in dem jungen, menschlichen Giovanni schläft jetzt ein unberechenbarer,
alter Kainit, der lange vergessen haben muß, wie es war, ein schlagendes
Herz zu besitzen. Und Christopher, der ungewöhnliche, aufsässige
Zauberlehrling, der uns Malkavianern so nahe kommt, der Himmel und Hölle
mit der dünnen roten Linie der geistigen Gesundheit spielt, spricht davon,
ein Sonnenbad zu nehmen.
'Christopher. Tun sie es nicht. Wir würden sie vermissen.'
Er zuckt die Schultern.
'Das geht vorbei.'
Ich schüttle den Kopf.
'Das glaube ich nicht. Versprechen Sie mir wenigstens eins: Nicht heute nacht.'
Er lächelt und verspricht es.
Himmel und Hölle. Der Stein ist geworfen, hängt in der Luft, und
wo immer er hinfällt, ich hoffe inständig, daß Christopher
den Sprung über die Linie schafft.
In memoriam
Dr. Steiner, Haus und Clan Tremere
dahingemeuchelt von Francis Meadows
Malekin trauert um seinen Lieblings-Hass-Tremere