Samstag, 30.12.00
Die Sonne versinkt. Ich stehe am Fenster und blicke in die Wolken, die Sonnenstrahlen wie ein blinder Spiegel zurückwerfen. Blind genug, um nicht zu brennen.
Die Türe fällt ins Schloß, als Katinka unseren Haven verläßt. Die Kinder gehen Krieg spielen, nein? Welch bitterer Gedanke, spielen sie doch das alte Spiel: Jihad.
Und ich lasse mein Kind, meine Mutter, mit ihnen spielen. Sie muß lernen. Was es heißt, Malekin zu sein. Kinder - und doch sind einige älter als Malekin. Und doch ist Malekin so viel älter, älter als alle Münchner, älter als Kerrsenbrock, älter als Ponte, älter als Malfeis, älter als Valeska. Alt und jung und närrisch.

Es wird Zeit für mich. Malfeis bewacht das Tribunal. Wie ich kennt er die Muster. Rote Blätter treiben im Wind. Ihre Farbe trübt rostig das Wasser geschmolzenen Schnees. Kaltes Blut. Nicht in den Hügeln jenseits des Flusses. Hier in München.

Das Tribunal ist nicht fern meines alten Havens, wo Katinka geküßt wurde. Vielleicht sollte ich ihn zurückfordern? Schatten begleiten meine Schritte. Fahles Spiegellicht wabert im Wasser, meine Stiefel wühlen schwarze Pfützen auf. Schwarzes Blut. Es haftet an meinen Sohlen und kennzeichnet meine Spur. Ich kümmere mich nicht um die Schatten - wozu? Die Muster lassen mich die Zeit und den Ort ahnen. Dort. Bald.
Ich spüre Malekin, der sich streckt, um bei ihr zu sein. Nicht um zu beschützen. Um zu erforschen. Eine Bewährungsprobe, habe ich ihr gesagt. Für die Domäne, habe ich ihr gesagt. Für die Camarilla, habe ich ihr gesagt. Aber nur Malekin zählt.
Zeit, meine eigene Bewährung zu beginnen.

Die Villa duckt sich in den dunklen Wald. Nur ihre weiße Mauer leuchtet. Ye who enter...
Ein paar Menschen halten Wacht. Totenwache. Der nahe Wald gibt Deckung. Vorteil Sabbath. Was siehst Du im Wald, Malfeis? Siehst Du die Splitter? Das Ende?
Ein großer Raum. Malfeis alleine. Der schwarze Mantel. Eine Klinge tropft stoisch unsichtbares Blut der Jahrhunderte in seinen alten Schatten. Schwarzes, kaltes Blut. Und sein Schatten wird jede Sekunde größer.

Sein Mündel für diese Nacht hat ihre Augen weit aufgerissen und blickt nach innen. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, nein? Wird die Aura Krells ähnliche Muster zeigen, wie die ihre?

Malfeis nickt. Es erinnert mich an das Fallbeil der Guillotine. Brennendes Blut spritzt mir entgegen, fängt sich in einem roten Band in den Händen des Ghouls und in den Händen Malfeis'. Ein Spuk. Wer hält das dritte Band? Drei Bänder? Warum drei? Welch' seltsamer Scherz.
Malfeis ist schwer in diesem Raum und alles scheint um ihn zu kreisen, treibt auf ihn zu, langsam, unwiderstehlich. Wird verschlungen. Es kümmert ihn nicht. Im Maelstrom fange ich eine Ahnung Katinka auf. Angst. Aber er ist bei ihr.

'Jetzt'. Eine Feststellung? Ein Befehl. Jetzt gestattet er ihnen, anzugreifen. Fenster und Türen stehen ihnen offen und Schatten quellen in den Raum. Nicht weil sie sich verbergen. Ihre Auren sind schwarz.
Malfeis Klinge webt ein Spinnennetz aus Stahl. Schwarze Schleier in den Auren zerfasern, als sie sich in diesem Netz fangen. Wie eine Spinne sitzt er in der Mitte und spinnt ununterbrochen. Schicksalsfäden. Und zerschneidet sie. Dann öffnet die Spinne ihre acht Augen und ich nehme Malfeis wahr. Und schweige, gebannt wie ein Toreador vor dem Gemälde eines alten Meisters..

Ein Wolfsgesicht vor mir, ein zorniges gleich dahinter. Der Wolf stürzt sich auf mich und Zorn auf den Ghoul. Und Katinka schreit als sie meinen Schmerz spürt. Doch Vater nimmt sie von mir. Der Wolf sitzt über mir und zieht die Klauen aus meinem Gesicht. Langsam, genüßlich. Blut rinnt aus meinen Wunden auf meine Zunge. Wolf leckt mich von seinen Krallen. Er und ich schmecken dasselbe. Mit meinem einen Auge fange ich seinen Blick auf und wir stimmen überein in der Kommunion. Köstlich.
Sein Grinsen wird breiter, entblößt seine Zähne. Er hat Blut geleckt und will mehr. Fast bin ich geneigt, ihm zu zustimmen. Nur um zu sehen, wie es ist... Aber das geht nicht, nur Malekin frißt seine Kinder.

Aufnahme

Entlassung