Sie sieht mich an, verschüchtert, aber sie beisst die Zähne zusammen und tritt vor ihn hin. Vorsichtshalber lasse ich ihre Hand nicht los.
We'll see how brave you are,
we'll see how fast you'll be running...
Er begutachtet sie, und ich erinnere mich wieder an diesen letzten Abend, in der mein Herz noch bis zum Hals schlug und ich von ihm begutachtet wurde. Als er sehen wollte, was sein nichtsnutziger Sprössling in München gefunden hatte. Als schwarzes Schaf hat er sein Kind damals bezeichnet. Als Fehler. Fehler???
"Es ist wahr. Mein Sprössling ist so nichtsnutzig, wie ich dachte. Es war ein Fehler, ihn zu meinem Kind zu machen. Und wie es aussieht, hat der Fehler einen weiteren Fehler produziert." Er wendet sich mir zu. Lächelt. "Katinka. Fehler eines Fehlers."
Fehler? Nein. Sag das nicht. Nicht noch einmal. Das ertrage ich nicht noch einmal. Fehler? Ich spüre, wie das Glas des Spiegels sich unter dem Druck biegt, höre, wie es haarfeine Risse bekommt, fühle, wie die Spannung ins Unerträgliche steigt... doch der Spiegel bricht nicht. Nicht? Ich bin kein Fehler. Etwas ist falsch hier. [Du und ich und ich und... wer nicht?]
"Aber Fehler können korrigiert werden", fährt der Abt fort. "Zuerst werden wir dafür sorgen, dass nicht noch ein Fehler begangen wird. Toths Nachfahrin mag richtig oder falsch für uns sein, doch sie wird nicht der Fehler eines Fehlers eines Fehlers werden. Malekin. Befiehl deinem Kind, sie zu vernichten. Jetzt."
Nein! Alles, nur das nicht! Nicht Anna! Schickt sie meinetwegen weg, nehmt ihr ihr Gedächtnis, lasst sie jemand anderes' Kind werden, bindet sie an wen auch immer, aber bringt mich nicht dazu, ihr etwas anzutun! Nein!!!
Malekins Augen spiegeln meine Angst und meinen Schmerz, als er den Willen seines Vaters ausführt. So nah, wie lange waren wir uns nicht mehr so nah. Ich spüre ihn in meinem Kopf in meinem Herzen, so zärtlich und behutsam, so grausam und unerbittlich, so unwiderstehlich VERNICHTE SIE. Ja. Ich will mich seinem Willen hingeben, will alles tun was er verlangt, wenn ich ihm nur weiter so nah sein darf...
Nein! Nicht Anna! Das wäre ein... Fehler.
"Nein! Nein! Ich werde sie nicht töten!"
Verzeih' mir, Vater. Ich kann es nicht tun.
Jetzt weiss er es.

Ich spüre es, ich kann sehen, dass er sofort begriffen hat, obwohl er noch Fragen stellt, noch mit uns spricht, als wäre es ihm noch nicht ganz klar. Nur einer in jeder Generation. Er genießt es. Genießt es, das Ende hinauszuzögern. So zu tun, als gäbe es für einen von uns Hoffnung. Pandoras schlimmstes Ungeheuer. Doch es schreckt uns nicht lange.
Lasciate ogni speranza...
Verzeih' mir, Vater! Ich habe gesündigt. Und uns damit verdammt?
Der Abt ist neben mir. Verkündet, dass er mich vernichten wird. Mich. Er sagt nicht uns. Bist du zurückgekehrt, um mich weiter zu quälen, Hoffnung? Ist das der Weg? Die Lösung? Nur mich? Nicht Malekin? Nicht Anna? Nur mich vernichten? Das muss die Lösung sein. Ich habe gesündigt. Nur ich werde büßen. Tausendfach. Ich glaube nicht an Himmel und Hölle, doch dort, wo ich hingehe, wird die Hölle sein, denn ich werde nicht bei Malekin sein. Ist das der Weg?
Etwas ist falsch.
Der Abt legt seine Hand auf meine Schulter. Malekin ist neben mir. So schnell wie damals, als ein anderer versucht hat, sich mit Gewalt zu nehmen, was er mit Worten nicht für sich gewinnen konnte.
Verzeih mir, Vater. Ich habe gesündigt und werde Buße tun. Ich bin... ein Fehler? Dessen Lösung so nahe liegt. Ich werde ausgemerzt, und Anna kann meinen Platz einnehmen. Dann hat alles seine Richtigkeit.
Falsch.
"Bin ich denn nicht... Malekin?" Die Frage spricht sich leichter aus als erwartet, denn sie ist... falsch. Ich sehe in Malekins Gesicht, dass er es weiss. [Du und ich...]
Weiss es Faeselius?
Zu spät für Fragen. Es geschieht. Amen.
Ich liege auf den Knien und seine Zähne sind in meinem Hals und es tut so weh so gut dass ich um Gnade um mehr flehen will hör auf oh hör auf hör nicht
ich sterbe
Aufnahme

Entlassung