Ein Sarkophag mit einem
Relief am Boden: Maat, die geflügelte Göttin der Wahrheit, empfängt
dort den Toten mit weit ausgebreiteten Armen. Daß ein Sarg solche Geborgenheit
ausstrahlen kann! Ich weiß, es ist verboten, die Ausstellungsstücke
zu berühren, aber ich kann nicht widerstehen: ich muß diesen Stein
fühlen, muß meine Wange an die kalte, rauhe Oberfläche legen,
wo vielleicht vor 5000 Jahren die Wange einer trauernden Witwe lag.
Das Museum ist überwältigend. Ich schaffe es tatsächlich, den
Lärm und die Menschenmassen um mich herum zu vergessen und mich in der
Vergangenheit zu verlieren.
Die Holzstatue eines Dorfältesten. Glatzköpfig und dick und lächelnd
wie ein buddhistischer Mönch. Bis auf die stechenden Augen aus Alabaster
und Kristall.
Jahrtausende alte
Reisigbesen, so gut erhalten, daß man meint, das Museum damit kehren
zu können.
Ein Hochbett, getragen von zwei Kuh-Krokodil-Schakal-Nilpferden.
Echnaton, drei Meter
hoch, mit schmalem Gesicht, hohen Wangenknochen, der oberägyptischen
Krone, mehr als königlich. Und herzzerreißend väterlich, als
er seine todgeweihte Tochter Meritaten küßt.
Die Schmucksammlung aus Tut-Ench-Amuns Grab.
Eine Sphinx-Darstellung von Königin Hatschepsut, Tante, Schwiegermutter
und Stiefmutter von Tutmosis.
Die Mumien. Die Mumien! Verdorrte, ledrige Körper, Gesichter, die zuletzt
vor tausenden von Jahren ihre Augen geöffnet hatten, Hände, die
Schmuck und Waffen berührten, die wir heute ehrfürchtig hinter Glas
bewundern. Am eindrucksvollsten Ramses II, die vertrocknete Haut
gelblich-rot, darunter zeichnet sich jeder Knochen ab, sogar die Halswirbel,
die Hände verkrümmt und leicht erhoben, als wolle er noch im Tod
seine Autorität aufrecht erhalten...
Ich will die ganzen 14 Tage hier verbringen!
Chan-el-Chalili-Souk.
Souk klingt viel schöner als Basar. Viel treffender. Dunkler. Geheimnisvoller.
Nicht so nach Hinterhof-Flohmarkt. Und es beschreibt viel besser, was es hier
zu erleben gibt: lachende, schreiende, beschäftigte, hektische, feilschende,
schlafende Einheimische, filigranes Kunsthandwerk, das in Wirklichkeit maschinengegossenes
Plastik ist, Wasserpfeifen in allen Größen (z.T. größer
als ich), Touristenramsch, Plastikschuhe, billige Unterwäsche, falsche
Bauchtanz-Kostüme.
Kleine Stände mit undefinierbarem Essen, Gewürze, hunderterlei wundervolle Düften, nach Kräutern, Gebratenem, Tabak, Weihrauch, Schweiß und Staub und nach der Kühle der engen, überdachten Gassen. Eindrücke aus 1001 Nacht.
Diesmal habe ich es wirklich
geschafft, mich von der Gruppe zu trennen, indem ich einfach in die erstbeste
Seitengasse verschwunden bin. Statt zu warten, bis alle weg sind und dann
auf die Hauptstraße zurückzukehren, beschließe ich, den Gassen
zu folgen und gelange auf einen parallele große Straße, auf der
fast nur Einheimische zu sehen sind. Jetzt, endlich, bin ich in Ägypten
angekommen!
Musik scheppert aus billigen Ghetto-Blastern, Kinder und Katzen weichen im
allerletzten Augenblick vollbeladenen Mofas aus, dicke Frauen balancieren
Müllsäcke voller Waren freihändig auf dem Kopf, alte Männer,
die in ihren nachthemdartigen Galabejas und schmutzigen Turbanen würdevoller
nicht aussehen könnten, sitzen Wasserpfeife rauchend in Hauseingängen.
Ich lasse mir ein Tuch aufschwatzen, bezahle trotz Feilschen wahrscheinlich
viel zu viel für das Stück weiße Baumwolle, und lache zusammen
mit dem Händler über mich selbst. An einem Straßenstand trinke
ich den gewürzten Kaffee, der ohne weiteres eine Herzmassage ersetzen
könnte.
Auf dem Rückweg Ernüchterung: ich gerate in dem Gewirr von Gängen
unversehens in eine Gasse, in der nur Männer sind, alle traditionell
gekleidet mit Galabeja und Turban. Finstere Blicke. Kein Hello, what
country?' Ich fühle mich, wie sie mich sehen müssen: nackt. Das
Tuch war jeden Pfennig wert, ich wickle mich ein und bin trotz der Hitze froh,
daß es meine Haare, die Schultern und den halben Rücken bedeckt.
Nie war ich so erleichtert, andere Touristen zu sehen!
Luxor.
5:30 aufstehen, 6h Abfahrt. Um die Hitze zu vermeiden. Damit nur ja keine
authentische Stimmung aufkommt. Ägypten, angenehm temperiert für
den europäischen Magen. Egal, das kühle Morgenlicht auf den majestätischen
Statuen von Ramses vor dem Tempel von Luxor entschädigt dafür.