Außerdem will ich eine Verfassung. Sage ich, nur um's mal gesagt zu haben. Nicht, weil ich denke, dass irgendjemand drauf hören wird. Ceterum censeo Carthaginem esse reconstruendam.
Aber Triumvirat oder nicht, wer soll den Job machen? Einige Namen werden diskutiert, aber erstaunlich schnell steht eines fest: alle unterstützen Krell. Erstaunlich nicht, weil es sich um Herrn Krell handelt, den ich selbst als äußerst unterstützenswert betrachte. Erstaunlich, weil sich auf einmal Einigkeit zeigt. Eine Eigenschaft, die wir bisher nichtmal im unmittelbaren Angesicht des ärgsten Feindes erreichen konnten. Ist unsere Angst so groß? Oder werden wir erwachsen?
Herr Krell stellt die Gretchenfrage: Soll ich euer Prinz sein? Wer etwas dagegen hat, soll es jetzt sagen!
... oder für immer schweigen. Schon wieder sind wir beim Thema Heiraten. Da fällt mir etwas ein. Was für einen Status hat Krell eigentlich? Neonat, soweit ich informiert bin? Das geht nicht. Endlich ist mein Amt mal für etwas wirklich gutes gut.
"Ich habe etwas dagegen, Herr Krell", sage ich. Er sieht mich erstaunt an. Aber offen. Ob man auch noch so mit ihm reden können wird, wenn er Prinz ist? "Ihr Status. Sie sollten nicht Neonat sein. Hiermit mache ich Sie zum Ancilla." Und wenn ich Sie in irgendeiner Weise unterstützen kann, will ich hinzufügen, doch Malekin kommt mir zuvor.
"Du bist Harpyie von Freising. Sind wir hier in Freising?"
Ich schüttle den Kopf. Muss mich sehr zusammenreißen, um den Schluck Schokolade herunterzuwürgen, den ich gerade im Mund hatte. Ich habe etwas falsch gemacht?
"Ist Herr Krell Bewohner von Freising?"
Kopfschütteln. Ich schlucke immer noch.
"Dann sollten wir das Frau Dulac überlassen. Schließlich ist sie die Harpyie von München. Außerdem sollte dafür etwas mehr Publikum anwesend sein. Für den Effekt, verstehen Sie?", wendet er sich an die anderen. "Also, vergessen Sie, was mein Kind gerade gesagt hat. Dafür ist hier nicht die Zeit und der Ort."
Ich bin froh, dass ich nicht mehr rot werden kann, sonst hätte ich jetzt mein ganzes Abendessen für meine Gesichtsfarbe verbraucht. Verflucht! Soviel Mitdenken hätte ich hinkriegen können. Natürlich kann ich nur für Freising sprechen. Eigentlich ist es wohl schon reichlich unverschämt, dass ich mich überhaupt an der Diskussion beteiligt habe, schließlich geht es nicht um meine Domäne. Ich habe mich mitreißen lassen, und gesprochen, bevor ich gedacht habe. Und Malekin enttäuscht. Das erste Mal, dass er mich als Harpyie in Aktion sieht, und ich enttäusche ihn.
…father i killed my monkey, i…
Plötzlich ist es sehr schwierig, die Schokolade zuende zu trinken. Den Gesprächen zu folgen. Anna anzulächeln.
Und in Zukunft wird es schwierig, glaubwürdig zu sein.
  Wieviel wird man auf das Wort einer Harpyie geben, deren Entscheidungen in dem Moment widerrufen werden, in dem sie ausgesprochen sind? Dummes Kind. Schande über dich. Ich hättes es verdient, dass mein Vater mich davonjagt und ich ein Jahr lang ohne Salz leben müßte.
Ich beiße mir auf die Lippen und wünsche mir ein Loch im Boden. Oder die Fähigkeit der Gangrel, obwohl ich nicht glaube, dass das hier im Cafe funktionieren würde.
Ich bin dankbar, dass Anna der Diskussion weiter aufmerksam zu folgen scheint; ich selber kann mich weder darauf konzentrieren, noch wage ich, den Blick zu heben. Ich will Malekin nicht in die Augen sehen.
…father i killed my monkey, i let it out to taste the sweet of spring…
Aus Annas Kommentaren schließe ich, dass man sich einig ist. Herr Krell wird als Prinzenanwärter unterstützt. Auch wenn ihn das zur Zielscheibe für Herrn Vanderbilt macht. Er kann also jede Unterstützung brauchen, die er bekommen kann.
"Hast du etwas gegen einen Umzug nach München?", fragt Malekin.
Umziehen sind wir ja gewöhnt, will ich sagen. Aber ich bin Harpyie in Freising. Wie soll das gehen?
"Warum?", frage ich, und wage es, ihn anzusehen. Vater.
"Herr Krell wird in nächster Zeit alle Unterstützung brauchen, die er bekommen kann. Ich finde, wir sollten unseren Teil dazu beitragen."
Unseren Teil...?
"Du könntest Herrn Krell als Leibwache gute Dienste leisten. Indem Du dafür sorgst, dass er im entscheidenden Moment... verschwinden kann."
Ich? Leibwache?
Natürlich verstehe ich, was er meint, schließlich hat es beim letzten Mal auch schon gut funktioniert. Bis zu dem Punkt, wo ich diese Ventrue diableriert habe. Und...
Will er mich wirklich wieder ins Zentrum der Gefahr schicken? Nach dem, was ich das letzte Mal getan habe? Warum?
Aber warum frage ich. Eben noch habe ich versucht, mein ungeliebtes Amt zu benutzen, um auf bequeme, ungefährliche Weise meinen Beitrag zu leisten. Einfach ein paar salbungsvolle Worte sprechen, und schon ist man aus der Verantwortung. Zu leicht wäre es gewesen, durch das goldene Tor zu schreiten, faules Mädchen. Für dich ist das Pechtor, und es geschieht dir ganz recht, wenn der Türschemann, der oben drauf sitzt, kräftig rüttelt und schüttelt, wenn du durchgehst.
...steady as it comes right down to you, i've said it all, so maybe we're a bliss of another kind…
Also werde ich nach München gehen, und Leibwache sein. Und was werde ich tun, wenn es darauf ankommt?
Entlassung
Aufnahme