Malekin weist mich auf einige wichtige Persönlichkeiten hin, die hier im Vorraum versammelt sind. Trutz Graf von Kerrsenbrock, Lord von Süddeutschland. Er ist offenbar verantwortlich für den ganzen süddeutschen Raum, somit auch für München. Ich kann mich nicht erinnern, ihn auf der Vernissage gesehen zu haben. Steht er über dem Prinzen? Und wenn ja, was bedeutet es, daß er auf dessen Einladung nicht dort war? Konflikte? Desinteresse?
Keine Zeit zu fragen. In unserer Nähe steht jemand anderes wichtiges: Leonid, der malkavianische Primogen von Wien. Sein Gesicht ist weiß angemalt und er trägt eine Narrenkappe. Mit Schellen. Auch eine Art, Aufmerksamkeit zu erregen. Trotzdem wirkt er irgendwie gruselig. Und unsympathisch.

Muster verzerren sich um diesen Alten. In seiner Nähe Gefahr zu wittern - das würde ihm nicht gerecht. Werde mich fernhalten von diesem, so sehr das Zerren Faszination birgt.

Die Rede ist zu ende, die Tür wird geöffnet, und die wichtigen Persönlichkeiten, die eintreten, werden vom Sicherheitspersonal angekündigt. Der Abend scheint so formell zu werden wie erwartet. Malekin und ich folgen in gebührendem Abstand und werden an den Malkavianer-Tisch verwiesen. Nicht, daß man den übersehen könnte. Warum sind Malkavianer die einzigen Vampire, die sich nicht durchwegs und ausschließlich schwarz kleiden? Neben ein paar Gangrel vielleicht. Oh, wie ich Tessa vermisse!
Jetzt beginnt der anstrengende Teil: Vorstellung, Verbeugung, höfliches Warten, bis uns jemand gestattet, uns zu setzen. Ist es schon ein Bruch der Traditionen, die Anwesenden neugierig anzustarren? Egal, ich kann nicht anders. An unserem Tisch sitzt eine Ansammlung von Kuriositäten. Ein großer Mann in einer Art Mönchskutte mit blutverschmiertem Gesicht. Eine Mischung aus Kottan und Schimanski mit wildem Haar und schiefer Sonnenbrille. Ein dürrer Kerl mit einem Narrenstab, auf dessen Spitze ein Kamel thront. Sie schwanken zwischen Neugier und mangelnder Konzentration, was das Kennenlernen nicht gerade leicht macht.
Ich sehe mich um. Der Tisch neben uns gehört den Gangrel. Hinter uns sitzen Giovanni und Ravnos, gegenüber Toreador und einige andere, deren Clan ich auf Anhieb nicht erkennen kann. Wie soll ich unterscheiden, wer wichtig ist, vor wem ich mich zu verbeugen habe, wen ich meiden soll, mit wem ich sprechen darf...? Wenn ich heute abend irgendwie von Malekin getrennt werde, bin ich verloren. Aber ich bin fest entschlossen, ihm keine Schande zu machen. Ihm und unseren Ahnen. Obwohl ich inständig hoffe, daß heute abend keiner von ihnen auftaucht. Ich fühle mich schon so unsicher genug. Ich frage mich, was mir lieber ist:

eine Party wie Infernal Desire, auf der alles erlaubt ist, oder eine förmliche Feier wie hier, auf der alles bis ins kleinste reglementiert ist. Hm. Eigentlich keins von beiden. Wahrscheinlich bin ich halt doch kein Party-Typ.

Fürchte nicht Malekin! Die Älteren haben sich schon lange von diesen Feierlichkeiten zurückgezogen. Politik ist nicht des Rätsels Lösung für unser Blut. Wir sind ihre Augen und Ohren - sind unsere Augen und Ohren. Wenn wir hier sind, erfahren sie, was zu erfahren ist. Ihre Präsenz wird uns an diesem Abend nicht belästigen.
Und fürchte nicht, von Malekin getrennt zu werden. Du bist Malekin!

Am Kopfende des Saals ist ein erhöhte Bühne, auf der die wichtigen Persönlichkeiten an der Tafel des Prinzen sitzen. Ich sehe den Malkavianer mit der Narrenkappe und von Kerrsenbrock mit seiner eleganten Begleitung. Ob tatsächlich jemand da ist, der sich an den Namen Malekin (hoffentlich positiv!) erinnert, und uns bei den Münchnern einführt?
In diesem Moment werden sie auch schon angekündigt: Christopher, Neonat des Clans Tremere, Seneschall von München. Michael Krell, Clan Brujah, Sheriff von München. Thomas Giovanni, Vertreter des Clans Giovanni in München. Hinter uns lacht jemand. Ein Neonat als Seneschall? Wie ist er in diese Position gekommen? Malekin dreht sich um und bringt das Lachen zum Verstummen. München ist vom Sabbat besetzt. Die Münchner Vampire mögen jung sein, aber sie leisten verdammt gute Arbeit dort.

Es kann nicht schaden, ihre Leistungen zu loben. Immerhin - sie existieren noch. Und wer weiß, welche Wege unser Lob zu nehmen weiß? Es kann nicht schaden.

Ich hoffe, daß er recht hat. Nach allem, was man aus München hört, sieht es dort nicht gerade gut für uns aus. Andererseits war die Vernissage sicherlich ein großer Erfolg für die Münchner Camarilla, ein Signal, daß sich 'zivilisierte' Vampire wieder dort aufhalten können.
Wir stellen uns neben dem Eingang auf, um die Münchner aus nächster Nähe zu sehen. Haben sie noch jemanden mitgebracht?

Aufnahme

Entlassung