Muster verzerren sich um diesen Alten. In seiner Nähe Gefahr zu wittern - das würde ihm nicht gerecht. Werde mich fernhalten von diesem, so sehr das Zerren Faszination birgt.
Die Rede ist zu ende,
die Tür wird geöffnet, und die wichtigen Persönlichkeiten,
die eintreten, werden vom Sicherheitspersonal angekündigt. Der Abend
scheint so formell zu werden wie erwartet. Malekin und ich folgen in gebührendem
Abstand und werden an den Malkavianer-Tisch verwiesen. Nicht, daß man
den übersehen könnte. Warum sind Malkavianer die einzigen Vampire,
die sich nicht durchwegs und ausschließlich schwarz kleiden? Neben ein
paar Gangrel vielleicht. Oh, wie ich Tessa vermisse!
Jetzt beginnt der anstrengende Teil: Vorstellung, Verbeugung, höfliches
Warten, bis uns jemand gestattet, uns zu setzen. Ist es schon ein Bruch der
Traditionen, die Anwesenden neugierig anzustarren? Egal, ich kann nicht anders.
An unserem Tisch sitzt eine Ansammlung von Kuriositäten. Ein großer
Mann in einer Art Mönchskutte mit blutverschmiertem Gesicht. Eine Mischung
aus Kottan und Schimanski mit wildem Haar und schiefer Sonnenbrille. Ein dürrer
Kerl mit einem Narrenstab, auf dessen Spitze ein Kamel thront. Sie schwanken
zwischen Neugier und mangelnder Konzentration, was das Kennenlernen nicht
gerade leicht macht.
Ich sehe mich um. Der Tisch neben uns gehört den Gangrel. Hinter uns
sitzen Giovanni und Ravnos, gegenüber Toreador und einige andere, deren
Clan ich auf Anhieb nicht erkennen kann. Wie soll ich unterscheiden, wer wichtig
ist, vor wem ich mich zu verbeugen habe, wen ich meiden soll, mit wem ich
sprechen darf...? Wenn ich heute abend irgendwie von Malekin getrennt werde,
bin ich verloren. Aber ich bin fest entschlossen, ihm keine Schande zu machen.
Ihm und unseren Ahnen. Obwohl ich inständig hoffe, daß heute abend
keiner von ihnen auftaucht. Ich fühle mich schon so unsicher genug. Ich
frage mich, was mir lieber ist:
eine Party wie Infernal Desire, auf der alles erlaubt ist, oder eine förmliche Feier wie hier, auf der alles bis ins kleinste reglementiert ist. Hm. Eigentlich keins von beiden. Wahrscheinlich bin ich halt doch kein Party-Typ.
Fürchte nicht Malekin!
Die Älteren haben sich schon lange von diesen Feierlichkeiten zurückgezogen.
Politik ist nicht des Rätsels Lösung für unser Blut. Wir sind
ihre Augen und Ohren - sind unsere Augen und Ohren. Wenn wir hier sind, erfahren
sie, was zu erfahren ist. Ihre Präsenz wird uns an diesem Abend nicht
belästigen.
Und fürchte nicht, von Malekin getrennt zu werden. Du bist Malekin!
Am Kopfende des Saals
ist ein erhöhte Bühne, auf der die wichtigen Persönlichkeiten
an der Tafel des Prinzen sitzen. Ich sehe den Malkavianer mit der Narrenkappe
und von Kerrsenbrock mit seiner eleganten Begleitung. Ob tatsächlich
jemand da ist, der sich an den Namen Malekin (hoffentlich positiv!) erinnert,
und uns bei den Münchnern einführt?
In diesem Moment werden sie auch schon angekündigt: Christopher, Neonat
des Clans Tremere, Seneschall von München. Michael Krell, Clan Brujah,
Sheriff von München. Thomas Giovanni, Vertreter des Clans Giovanni in
München. Hinter uns lacht jemand. Ein Neonat als Seneschall? Wie ist
er in diese Position gekommen? Malekin dreht sich um und bringt das Lachen
zum Verstummen. München ist vom Sabbat besetzt. Die Münchner Vampire
mögen jung sein, aber sie leisten verdammt gute Arbeit dort.
Es kann nicht schaden, ihre Leistungen zu loben. Immerhin - sie existieren noch. Und wer weiß, welche Wege unser Lob zu nehmen weiß? Es kann nicht schaden.
Ich hoffe, daß
er recht hat. Nach allem, was man aus München hört, sieht es dort
nicht gerade gut für uns aus. Andererseits war die Vernissage sicherlich
ein großer Erfolg für die Münchner Camarilla, ein Signal,
daß sich 'zivilisierte' Vampire wieder dort aufhalten können.
Wir stellen uns neben dem Eingang auf, um die Münchner aus nächster
Nähe zu sehen. Haben sie noch jemanden mitgebracht?